Best of thalassos Tauschrausch
thalassos Tauschrausch war eine fast wöchentliche Kolumne zu Buchticket, Tauschticket und anderen wilden Tausch-Leidenschaften.
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Allergien, meine Schwiegermutter und ich
Tauschbörsen funktionieren nicht!
Werbung, Spam und andere Kleinigkeiten
Osterspaziergang (frei nach Schiller)
Ich mag nicht mehr im Forum lesen!
"Was willst Du denn meiner Mutter zum fünfzigsten Geburtstag schenken?" fragte meine Gattin mit der typisch weiblichen Beiläufigkeit, die bei allen geistig noch einigermaßen wachen Ehemännern alle Alarmglocken schrillen lassen.
"Blu, Blu, Blumen?" fragte ich selbstsicher. Noch bevor ich diese geniale Idee unvorsichtigerweise laut geäußert hatte, war mir klar, dass ich diesmal mit soviel Einfallsreichtum nicht durchkommen würde.
"Wie wäre es," fuhr meine Gattin ungerührt fort, "wenn wir ihr 50 Bücher zum Geschenk machen? 20 Bücher habe ich sowieso schon und Du besorgst den Rest!"
"Kein Problem!" sagte ich erleichtert. "Die organisiere ich im Handumdrehen bei der Buchtauschbörse im Internet. Irgendwelche Vorlieben deiner Mutter?"
"Skandinavische Krimis und Historische Roman! Ich glaube, meine Mutter mag diese Bücher über den kriminellen Mönch, Bruder Catweezle oder so. Aber die Bücher müssen wie neu sein!"
Nach einer schnellen Recherche wusste ich, dass Hakan Nesser kein Türke, sondern Schwede ist, dass Bruder Catweezle eher Cadfael heißt und dass ich dreißig gute Bücher in der Tauschbörse opfern musste, um die gewünschten Geschenke herbeizuschaffen. Und damit begannen die Probleme.
Jeder wollte Hakan Nesser haben und jeder war irgendwie schneller als ich. Gestern kannte ich den Typ noch gar nicht und heute schnappten mir alle Teilnehmer der Buchtauschbörse in seltener Einmütigkeit alle seine Bücher vor der Nase weg, bevor ich auch nur mit der Maus klicken konnte.
Und mit Bruder Cadfael war es noch viel schlimmer. Weil die Autorin vor Jahren schon das Zeitliche gesegnet hatte, galten ihre Werke bereits als antiquarisch - mit anderen Worten: zerfleddert und teuer. Diese Erfahrung machte ich, als ich in meiner Not versuchte, einige gebrauchte Exemplare bei Internet-Buchhändlern zu kaufen.
Und der Zustand der Bücher, die ich bekam, spottete jeder Beschreibung, vor allem der Zustandbeschreibung. "Wie neu" ist eben nicht neu, bestenfalls so ähnlich wie neu, also eher gebraucht, genau genommen zerlesen. Der Begriff "Gebrauchsspuren" wiederum umschrieb, dass das Buch von einem Panzer überrollt wurde, nachdem es die Müllkompostierung passiert hatte.
Der verschämte Zusatz "Raucherhaushalt" weist deutlich daraufhin, dass das Buch nur knapp einer Bücherverbrennung entkam und somit alle Brandflecken und Schmauchspuren eher wertsteigernd im antiquarischen Sinne sind. Bei "Noch gut erhalten" ist das "noch" von zentraler Bedeutung: das Buch zerfällt erst, wenn man es aus der unzureichenden Verpackung nimmt. Die Bezeichnung "gut" hingegen umfasst die ganze Palette von "eingeschweißt und ungelesen" bis "geschreddertes Altpapier".
Sollte man aber einen der zahlreichen wohlmeinenden Anbieter erwischt haben, die intakte Bücher gut verpackt verschicken, droht der Büchersendung weitere Gefahr. Auch wenn man ab und zu den Eindruck gewinnt, die Post befördere den überwiegenden Teil der Sendungen, ohne diese zu verlieren, den Umschlag so zu beschädigen, dass das Buch heraus fällt, den Inhalt bei der Prüfung desselben mit anderen Sendungen zu vertauschen, das Ganze an eine falsche Anschrift zu liefern oder als unzustellbar zu markieren, obwohl die Adresse stimmt, passiert genau das mit genau der Lieferung, auf die man am dringendsten wartet.
Nach zwei Wochen hatte ich 8 brauchbare Bücher zusammen: 4 beliebige Krimis, 2 Nessers und zwei Mönche, einen davon mit Mängelexemplarstempel, also fast wie neu. Und der fünfzigste Geburtstag der lesefreudigen Schwiegermutter rückte gnadenlos näher.
Nachdem ich meiner Gattin gegenüber die Buchtauschbörse über den grünen Klee gelobt hatte, wollte ich meine Niederlage auf keinen Fall eingestehen und rannte zum nächsten Buchhändler.
"Alles Bände von Bruder Cadfael, außer den beiden, die ich schon hab!" keuchte ich über die Theke. Glücklicherweise waren alle Abenteuer des aufklärerischen Mönchs sofort lieferbar, leider nur in neu aufgelegten Doppelbänden. Meine bereits vorhandenen Einzelbände waren damit ebenso doppelt, wenn ich alle mittelalterlichen Kriminalfälle haben wollte.
Dadurch hatte ich 10 Bücher zu wenig. Und nur noch zwei Tage bis zum Geburtstag. Ich kündigte meinen Bausparvertrag und kaufte zehn weitere Krimis. Blumen wären mich deutlich billiger gekommen.
Dennoch konnte der große Tag jetzt kommen. Stolz präsentierten wir meiner Schwiegermutter 50 einzeln verpackte Bücher, während ich meinem Blick über ihr Bücherregal schweifen ließ, wo bereits 8 Bände Bruder Cadfael fein säuberlich aufgereiht standen ...
Also, wenn sich jemand für die außerordentlichen Abenteuer des Bruders Cadfael von Ellis Peters interessiert, dann hätte ich da eine reichhaltige Auswahl anzubieten, einige Bände sogar doppelt!
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Für die noble Schenkung der 50 Bücher, die ja genau genommen nur 42 gewesen sind, revanchierte sich meine Schwiegermutter großzügig und überließ mir eine Kiste voll gelesener Bestseller, damit ich diese in der Buchtauschbörse einstellen könne. Computer und Internet sind Ihr eher wesensfremd und erscheinen ihr nur als eine technologisch missratene Ausprägung des allgemeinen Informations- und Kommunikationsbedürfnisses. Damit hat sie vermutlich recht.
Darüber hinaus ist meine lesefreudige Schwiegermutter auch noch allergisch gegen gebrauchte Bücher, genauer gegen gebraucht aussehende Bücher. Das macht sie natürlich zur idealen Nichtnutzerin einer Buchtauschbörse. Zum allgemeinen Bedauern der restlichen Familie ist sie allerdings nicht allergisch gegen Zigaretten. Freundlicherweise raucht sie nicht in meiner Anwesenheit, denn ich bin wiederum radikaler Qualm-Allergiker. Nur mein ausgesprochen schwacher Geruchssinn verhindert regelmäßige, aber überwiegend gerechtfertigte Gewaltausbrüche gegen Raucher.
Deshalb entging mir auch zuerst, dass Schwiegermutters Bücher deutlich nach Rauch stanken. Nun raucht sie kaum mehr als ein Kiosk pro Tag und daher erschien es doch angebracht, die Bücher fachgerecht zu enträuchern, bevor ich diese zum Tausch anbot. Schließlich hatten wir doch unlängst in "Einfach Tauschen!" verschiedene Tipps zur Geruchsentfernung zusammengestellt. Jetzt war es an der Zeit, die einzelnen Methoden auf ihre Wirksamkeit zu testen.
Die Gefriermethode: Man nehme ein Buch, stecke es in eine dichte Plastiktüte und friere es über Nacht ein. Als Tiefkühlpizzen-Allergiker und ehemaliger Ökoterrorist verfüge ich aus Altersstarrsinn über keine Gefriertruhe, sondern lediglich über ein winziges und ständig überfülltes ***-Gefrierfach in meinem überwiegend umweltfreundlichen Kühlschrank. Zum Platzschaffen entsorgte ich das Speiseeis und fror die Bücher ein.
Da es sich um große Bücher und um den einzigen warmen Tag dieses Sommers handelte, aß ich im Zuge der Entsorgung recht viel Eis. Als ich eine Woche später nach den schlimmsten Erfrierungen am heißesten Tag des Jahres aus dem Krankenhaus entlassen wurde, nahm ich die gefrosteten Bücher nur noch aus dem Kühlschrank und verschickte sie schnell, um die Tauschfrist nicht zu versäumen. Falls jemand von mir letzte Woche zwei Schnitzel bekommen hat, ich hätte da noch einen Dan Brown und einen Harry Potter im Eisfach.
Die Katzenstreu-Methode: Man stecke das zu enträuchernde Buch mit etwas Katzenstreu in einen Beutel und wartet. Leider bin ich Katzen-Allergiker und verfüge daher auch nicht über das entsprechende Streu. Unsere blinde Nachbarskatze kommt allerdings ab und zu über das Dach, um gegen unsere Balkontür zu laufen. Ich hatte sie allerdings längere Zeit nicht mehr gesehen. Also fragte ich freundlich meinen Nachbarn, ob die Katze vom Dach gefallen sei und ob er etwas Katzenstreu erübrigen könne. Er bejahte beides und gab mir grimmig eine Tüte voll. Der könnte auch freundlicher sein.
Die Methode war ein voller Erfolg. In kürzester Zeit roch keines der behandelten Bücher zumindest nicht mehr nach Rauch. Allerdings sollte man unbedingt darauf achten, nur unbenutztes Katzenstreu zu verwenden. Ich entwickelte umgehend eine Nachbarn-Allergie und verkehre mit ihm seither nur noch auf juristischer Ebene.
Die Ofen-Methode: Man lege die Bücher auf Backpapier in den Ofen und erwärme sie für 10 Minuten auf 50 Grad. Nicht heißer, nicht länger. Während ich noch darüber nachdachte, ob die Bücher statt des Rauchs nun den Geruch der angebrannten Ente von letzter Woche annehmen würden, erschien meine ewig hungrige, weil schwangere Gattin in der Küche und fragte, was ich denn da backen würde.
"Rauchbuch a la Buchtauschbörse!" antwortete ich stolz, aber meine Gattin meinte nur beleidigt: "Da haben wir es wieder. Für wildfremde Menschen im Internet machst du alles, aber für uns kochst du so was Leckeres ja nie!" Sprach's und verließ angewidert die Küche.
Eine Schwangeren-Allergie ist für einen Ehemann die denkbar ungeeignetste Form der Überempfindlichkeit. Also hechtete ich hinter meiner Gattin hinterher, um schlimmeres zu verhindern. Dabei muss ich wohl irgendwie an der Temperaturregelung des Ofens hängen geblieben sein. Habt Ihr eigentlich mal "Fahrenheit 451" gelesen?
Die wenigen überlebenden Exemplare meiner Bücherverbrennung riechen immer noch nach Rauch, aber wenigstens nicht nach Zigaretten. Außerdem wollten wir sowieso ausziehen, denn wir brauchen ja bald ein zusätzliches Kinderzimmer. Zu allem Überfluss bin ich auch noch Umzugs-Allergiker.
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Vor einer Wahl fragen Interessenverbände gerne die Parteien, was sie für den Fall eines Wahlsieges vorab versprechen wollen. So wollen Automobilclubs wissen, wie Politiker zu steigende Benzinpreisen stehen (steigende Fahrzeug-Preise hingegen bleiben unerwähnt), der Bund allein erziehender Großväter stellt Fragen zum Thema BAFöG für Rentner und irgendwelche Vertriebenen wollen wissen, ob sie in Zukunft vielleicht jemand anders vertreiben dürfen. So kann sich jeder an Hand der üblichen schwammigen Antworten ein Bild davon machen, wie fest eine bestimmte Partei bereits in den Klauen der Lobbyisten gefangen ist.
Sind die Damen und Herren Politiker erst einmal gewählt, hören die Fragen auf und nach kürzester Zeit kann sich kaum jemand daran erinnern, dass jemals Fragen gestellt wurden. Die Antworten konnte man ja sowieso vergessen.
Leider hat es keiner dieser Interessenverbände für nötig befunden, die Parteien zu ihrer Einstellung zu Büchern und Tauschbörsen im Internet zu befragen. Damit nun niemand unbedarft sein Kreuz an der falschen Stelle oder gar keins macht, haben wir für Sie typische Aussagen zur Wahl zusammengestellt. Bitte ordnen Sie diese den genannten Politikern zu. In der Auswertung am Ende erfahren Sie, welche Partei Ihrer Meinung ist.
1) "Deutschland ist eines der am wenigsten christlichen Länder Europas, und in Berlin fühle ich mich wie in einer heidnischen Stadt."
a: Gerhard Schröder b: Angela Merkel c: Edmund Stoiber d: Konrad Adenauer
2) "Zwischen zwei gedruckten Zeilen kann man genug Dynamit anhäufen, um damit ganze Welten in die Luft zu sprengen."
a: Angela Merkel b: Gerhard Schröder c: Joschka Fischer d: Heinrich Böll
3) "Fernsehen bildet. Immer, wenn der Fernseher an ist, gehe ich in ein anderes Zimmer und lese."
a: Joschka Fischer b: Gregor Gysi c: Gerhard Schröder d: Groucho Marx
4) "Zukunftsforschung heißt die Kunst, sich zu kratzen, bevor es einen juckt."
c: Edmund Stoiber b: Gerhard Schröder c: Angela Merkel d: Peter Sellers
5) "Das Gegenteil von gut ist nicht böse, sondern gutgemeint."
a: Gregor Gysi b: Gerhard Schröder c: Joschka Fischer d: Gottfried Benn
6) "Die Abwesenden haben immer Unrecht."
a: Angela Merkel b: Angela Merkel c: Angela Merkel d: Giacomo Casanova
7) "Die Japaner erobern den Weltmarkt mit unlauterem Wettbewerb: Sie arbeiten während der Arbeitszeit."
a: Angela Merkel b: Oskar Lafontaine c: Joschka Fischer d: Ephraim Kishon
8) "Wenn man genug Geld hat, stellt sich der gute Ruf ganz von selbst ein. Wer seine Schwiegermutter totschlägt, wird geköpft. Das ist ein uralter verständlicher Brauch. Wer aber Hunderttausende umbringt, erhält ein Denkmal."
a: Joschka Fischer b: Gregor Gysi c: Gerhard Schröder d: Erich Kästner
9) "Die Ruhe eines Kirchhofs."
c: Edmund Stoiber b: Paul Kirchhof c: Angela Merkel d: Friedrich Schiller
10) "Wenn du ein Schiff bauen willst, so trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Werkzeuge vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben, und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten endlosen Meer."
a: Gerhard Schröder b: Angela Merkel c: Joschka Fischer d: Antoine de Saint-Exupery
Die Auswertung
Haben Sie überwiegend folgendes gewählt:
a), b) oder c): Gehen Sie aber auf jeden Fall wählen! Vielleicht sollten Sie aber die Wahlprogramme der Parteien noch einmal aufmerksam prüfen, bevor Sie zur Wahl gehen:
http://www.bundeswahlleiter.de
d) Sie wissen bereits, wen Sie wählen wollen. Viel Glück an der Urne!
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Wenn Sie mir dann bitte zum Bildschirm folgen möchten. Hier sehen Sie nun ein 3D-Modell Ihres zukünftigen intelligenten High-Tech-Wohnhauses, welches in vollem Umfang auf die Erfordernisse zeitgemäßer Kommunikation abgestimmt ist. Auf einer kurzen virtueller Reise durch das Gebäude kann ich Ihnen jetzt demonstrieren, wie modernste Technik die multimedialen Bedürfnisse der Bewohner befriedigen wird. Allen Notwendigkeiten der Kommunikation, Unterhaltung und Medienvernetzung wurde beim Entwurf dieses Hauses Rechnung getragen. Ja, man kann auch darin wohnen.
Sobald Sie Ihre 3D-Brillen aufgesetzt haben, beginnen wir am Hauseingang. Das erste wichtige Feature ist der intelligente Briefkasten. Das ist nicht nur ein einfacher Schlitz zum Einwerfen von Post. Weil Sie ja kaum noch Briefe bekommen werden, ist dieser Briefkasten eine so genannte Versandklappe, die alle Sendungen von der Postkarte bis zum Paket hin aktiv entgegennimmt oder abgibt, auch wenn Sie gar nicht zu Hause sind. Die Art der Sendung und der Absender werden per Scanner erfasst. Unliebsame Absender werden an Hand Ihrer persönlichen Blacklist identifiziert und die Sendung wird zurückgewiesen. Die Versandklappe quittiert auch den Empfang von Lieferungen und füllt auf Wunsch auch Ihre Briefwahlunterlagen aus.
Erkennt dieser hoch-technisierte Briefkasten jedoch den Einwurf unerwünschter Werbung, wird via Bluetooth der gentechnisch veränderte Hund, dessen Hundehütte Sie hier rechts sehen, aktiviert und auf den Prospektverteiler gehetzt und dieser bis zur Grundstückgrenze verfolgt. Der Gen-Hund ist natürlich im Kaufpreis inbegriffen. Nein, für Ihre Familie ist er völlig ungefährlich. Aber Ihre Kinder sollten besser nichts in den eigenen Briefkasten werfen.
Hinter der Zugbrücke, der Selbstschussanlage, der Rundum-Videoüberwachung und vor dem Eingang zum Hochsicherheitsportal befindet sich dann eine Falltür für säumige Postzusteller. Sie können die Falltür automatisch auslösen lassen oder manuell. Ja, das ist ein Spaß für die ganze Familie! Der Postzusteller rutscht dann automatisch in ein entsprechend vorbereitetes Verließ im Keller. Gelobt der Zusteller nicht umgehend Reue, wird er vor der Haustür wieder freigelassen, der Hund aktiviert und den Rest kennen Sie ja schon. Die Erfolgsquote soll weit über 100% liegen.
Hinter dem Eingangsbereich befinden sich die Gehege und Käfige für die Mitglieder Ihrer Familie. Nein, eine Küche in diesem Sinne gibt es nicht. Wofür auch, wer soll vor lauter Unterhaltung noch Zeit zum Kochen haben? Für die Ernährung sind im ganzen Haus so genannte Food-Terminals verteilt, also eine Kombination aus Gefriertruhe, Mikrowelle und Gelber Tonne. Die Gefriertruhe hat einen Internet-Anschluss und bestellt automatisch alle verbrauchten Speisen nach. Ja, sie können Wünsche äußern, was dieser Froster für Sie bestellt. Schicken Sie einfach eine E-Mail an Ihre Gefriertruhe und hoffen, dass Ihre Bestellung nicht in deren Spam-Filter hängen bleibt.
Auf der linken Seite sehen Sie hier die schalldichte Fußballgummizelle für den Herrn des Hauses. Im Stadion-Design mit Großbildschirm, Surround-Anlage und kleinem Kühlschrank fürs Bier ausgestattet, kann hier der Göttergatte so richtig ausrasten, wenn unsere erfolgsverwöhnte Nationalelf mal wieder gegen die Osterinseln in Rückstand geraten ist.
Gegenüber dann die Schaltzentrale: im Surf-Center stehen mehrere komplett ausgestattete Multimedia-Laptops, um nach Herzenslust im Internet den besten Schnäppchen nachzujagen. Die gesamte Hardware ist tragbar und durch W-Lahm-Vernetzung drahtlos in der ganzen Anlage nutzbar. Jeder Rechner hat einen eigenen Internet-Anschluss mit einer fälschbaren IP-Adresse. Damit können Sie unerkannt mit mehreren Benutzernamen die Chat-Rooms und Foren aufmischen und bei Auktionen in aller Ruhe auf Ihre eigenen Angebote mitbieten, wenn die Gefriertruhe das nicht schon sowieso macht.
Direkt nebenan finden Sie das Versandzimmer. Hierhin werden alle Sendungen aus der Versandklappe am Eingang geliefert, es sei denn die Gefriertruhe ist schneller als Sie. Sollte Ihnen das Food-Terminal gegrillte Bücher servieren und die Versandklappe eine gefrorene Pizza, ist möglicherweise ein Update nötig oder Ihr Haus hat einen Virus. Die Programmierung des Hauses soll überwiegend von Bill Gates persönlich stammen. Regelmäßige Neustarts des gesamten Hauses und ein 2-stündiges Wartungsfenster pro Tag sind also ratsam.
In der Foto- und Scanner-Ecke werden Bücher und was Sie sonst so im Internet verkaufen, tauschen oder verschenken wollen, automatisch abgelichtet, erfasst und auf Plattformen Ihrer Wahl eingestellt. Verkaufte oder angeforderte Artikel können ebenso vollautomatisch in der Verpackungsanlage versandfertig gemacht werden und von der Versandklappe an den Zusteller übergeben werden, falls sich dieser noch in die Nähe des Hauses traut. Sollten Sie mit der Zeit einige Ihrer Haustiere oder Kleinkinder vermissen, schauen Sie besser mal, was in die ausgehende Post gepackt wurde.
Im Playstation-Keller, der wahlweise auch als X-Box-Katakombe oder Wii-Loft ausgeführt werden kann, dürfen sich dann die lieben Kleinen multimedial austoben. Nach einer Stunde werden die Blagen allerdings automatisch an die frische Luft befördert und müssen dort eine weitere Stunde im Freien spielen, bevor Sie wieder vor den Bildschirm gelassen werden. Vor allem im Winter wird diese Funktion vom Nachwuchs oft als störend empfunden. Andererseits sollen sich die Bälger auch mal richtig abhärten, richtig?
In der Kamera-überwachten Außenanlage befindet sich neben einigen multimedial ausgestatteten Trimm-Dich-Geräten auch eine Western-Walking-Laufstrecke. Kennen Sie nicht? Western Walking ist wie Nordic Walking, nur ohne Stöcke. Und was das im Keller für ein einsamer Stuhl ist? Das ist der Alterssitz Ihrer Schwiegermutter.
Wir betreten jetzt die Multimedia-Bibliothek: das Herz der Anlage. Hier lagern alle Bücher und Medien. Diese können in jedem Raum Ihres Anwesens abgespielt werden. Die Bibliothek blockiert automatisch den Erwerb von Titeln, die Sie bereits besitzen. Beim Surfen macht die Bibliothek eigenständig Vorschläge, welche Werke Ihnen noch gefallen könnten und wickelt entsprechende Online-Bestellungen weitgehend autark ab. Manuelle Eingriffe sind nur dann erforderlich, wenn die Gefriertruhe mal wieder die Bibliothek überredet hat, ausschließlich Bücher über Tiefkühlkost zu beschaffen.
Da mehr oder weniger alle Räume multimedial mit Großbildschirmen und Kino-tauglichen Soundanlagen ausgestattet sind, entfällt die Notwendigkeit eines klassischen Wohnzimmers. Schließlich können Sie ja jetzt überall vor der Glotze hängen, immer die gleichen CDs hören oder sich ein Buch vorlesen lassen. Wenn Sie selbst lesen wollen, können Sie das immer noch im Bad tun, wo statt Toilettenpapier ePaper zum Einsatz kommt. Bevor Sie die Toilette aufsuchen, schicken Sie einfach eine SMS an die Bibliothek und bestellen Sie die gewünscht Literatur zum baldigen Verbrauch auf die Rolle. Falls das ePaper einmal knapp wird, können Sie sich am integrierten Faxgerät per Faxabruf unserer kostengünstigen 0900-Servicenummer die notwendige Papiermenge beschaffen. Ja, der Laptop in der Whirlpool-Wanne ist natürlich wasserdicht - bis zum Ablauf der Garantiezeit.
Die Energie- und Onlinekosten des Hauses überschreiten die Kaltmiete nur geringfügig um das Doppelte. Aber überlegen Sie mal, was Sie alleine am Auto gespart haben. Oh, ich vergaß: eine Garage brauchen Sie natürlich auch nicht. Es gibt ja keinen Grund mehr das Haus zu verlassen, geschweige denn ein teures, umweltfeindliches Fahrzeug zu besitzen. Abstellräume sind ebenfalls nicht nötig. Alles wird in der Bibliothek aufbewahrt. Ja, auch die Kleidung. Obwohl Sie auch davon wenig brauchen werden. Selbst den Putzrobotern ist es egal, ob Sie nackt vor den Bildschirmen sitzen. Keine Sorge, bei Video-Telefonaten kleidet der Computer Sie nach Wunsch virtuell ein und simuliert ein entsprechendes Make-up.
Bitte? Wo das Schlafzimmer ist? Was für ein Schlafzimmer?
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Online Tauschen ist wirklich ganz einfach, Du meldest Dich an, stellst ein paar Bücher ein, die sowieso nur Platz in Deinem Bücherregal weggenommen haben, bekommst Tickets dafür, wenn sie jemand anfordert, und mit diesen Tickets holst Du Dir dann endlich all die Bücher, die Du immer schon mal haben wolltest und die recht schnell den frei gewordenen Platz im Regal einnehmen.
Dabei hattest Du Deiner Umwelt fest versprochen, als Du Tage und Nächte vor dem Computer verbracht hast, umringt von zahllosen Luftpolsterumschlägen, säckeweise Musterbeutelklammern, Unmengen von Briefmarken in völlig sinnlosen Stückelungen, Gefrierbeuteln in verschiedenen Größen und schließlich wankenden Stapeln von Büchern, von denen Du höchst aufwendig mit der extra angeschafften, sündhaft teuren digitalen Spiegelreflexkamera Passbilder angefertigt hast, dass Du nichts weiter wolltest, als die Menge der unnütz im Regal verstaubenden Bücher endlich auf ein sinnvolles Maß zu reduzieren.
Eine ganze Woche lang haben sie Dir das auch geglaubt, bis dann der arme, völlig überladene Briefträger jeden Tag keuchend 5 Stockwerke später an Deiner Tür klingelte, um Dir alle diese Umschläge mit anderem Inhalt wieder zurückzubringen - Inhalt, den Du dann sorgfältig sortiert, auf Vollständigkeit und Zustand überprüft und bewertet hattest und wehe, da war auch nur ein Mangel unerwähnt geblieben.
Eines Tages aber, nachdem Deine Umwelt Dich bereits völlig abgeschrieben hatte, ist es dann unweigerlich passiert, denn da hattest Du plötzlich kein Ticket mehr und es kam auch kein neues, weil die Bestseller aus Deinem virtuellen Regal alle vertauscht waren und jetzt nur noch reale Ladenhüter den eher irrealen Platz wegnahmen.
Zuerst hast Du gelacht, das wird schon wieder, die tauschen einfach weiter, aber dem war nicht so, auch nicht am nächsten Tag oder in der nächsten Woche, wo Du doch wie jeden Tag auf der Lauer lagst, die wirklich guten Bücher schon auf der Startseite abzufangen, aber Du hattest ja kein Ticket mehr.
Da müssen neue Bücher ran, hattest Du Dir gesagt, aber Schwiegermutter hatte nur noch diesen Stapel Simmel und Konsalik, den sie Dir aber nicht geben konnte, weil sonst der Tisch ihr umgefallen wäre und andere Angebote waren auch nicht in Sicht, nicht einmal von deinen langsam lesenden Bekannten, denen Du am Anfang aus Deinem niemals endenden Überfluss Bücher geliehen hattest, die Du aber jetzt bedrängen musstest, doch endlich etwas schneller zu lesen, damit Du diese Werke, hoffentlich in gutem Zustand zurückgegeben, wieder einstellen könntest und das schnell, denn Du hast ja so überhaupt keine Zeit mehr, nicht einmal zum Lesen.
Auch der Flohmarkt war ein keine gute Quelle, hatte es doch so furchtbar geregnet, dass Du gar nicht erst hingegangen bist, ebenso wie der Wühltisch im Supermarkt, jedes Buch quasi geschenkt, aber nichts dabei, was man auch nur annähernd hätte vertauschen können, derweil Du dann versucht hast, mal eben schnell und preiswert auf Internet-Auktionen an aktuelle Ausgaben zu gelangen, was aber dann sehr schnell sehr teuer wurde, weil die Anbieter all zu gerne durch fleissiges Selbstbieten die Preise in die Höhe trieben.
Also versuchtest Du, Dein Angebot an sich ein wenig interessanter zu gestalten, indem Du in den dafür vorgesehenen Foren Werbung machtest, was aber auch nicht half, denn in diesen Foren verkehrten nur solche, die den gleichen Plan hatten und von der gleichen ticketlosen Gier getrieben waren, die Dir auf Befragen natürlich völlig fremd gewesen ist, weshalb Du dann Dein Werben in den nicht dafür vorgesehenen Foren weiterführtest, sehr zum Verdruss jener, die nun statt Tickets Spott und Hohn über Dich ergossen.
Geläutert begannst Du nun, Dich als Helfer in der Not im einschlägigen Forum zu präsentieren und allen edel und gut zu sein, was Dir aber auch nicht weiterhalf, da noch immer nicht ein einziges Ticket den Tag Dir retten konnte, worauf Du nun Deine Angebot in 2:1-Tauschgeschäft umgewandelt hast, später dann in 3:1, aber immer noch kein Tausch in Sicht, auch nicht nachdem Du alle Bücher im Regal gelöscht und wieder neu eingestellt hattest.
Da sitzt Du nun traurig neben dem Stapel getauschter, aber ungelesener Bücher, nimmst wie im Fieberwahn das oberste Buch und beginnst zu lesen, erst langsam und ein wenig stockend, dann fliegst Du immer schneller durch die Seiten, bis Du das Buch beendet hast und beginnst ein neues von dem Stapel, Buch für Buch, jedes nach dem Lesen zum Tauschen wieder eingestellt und plötzlich hat alle Not ein Ende.
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Bei Tauschbörsen im Internet wird regelmäßig die Frage gestellt, wie genau man den Zustand der angebotenen Ware beschreiben muss. Die einfache Antwort "Genau eben" führt immer wieder Missverständnissen. Manche halten die Angabe "Gut" bereits für in ihrer Ausführlichkeit stark übertrieben, während andere jede Zustandsbeschreibungen ablehnen, die nicht Umfang und wissenschaftlich-fundierte Qualität eines durchschnittlichen TÜV-Gutachtens erreichen.
Darüber hinaus ist die Einschätzung einer Qualität immer äußerst subjektiv. Hat man ein als "Sehr gut" beschriebenes Buch angefordert und bekommt aber eine zerfledderte Loseblattsammlung, die den Inhalt einer Altpapiertonne qualitativ herabmindern würde, ist es ratsam den Versender beiläufig zu fragen, was er denn gemeinhin unter "sehr gut" verstehe. Nicht selten erhält man aus purer Unkenntnis der üblichen Standards Antworten wie: "Konnte man doch noch lesen!" oder "Buch ist Buch!"
Bevor man nun wegen der Zustände von Büchern, CDs oder DVDs Zustände bekommt, hier eine kurze Auflistung, was bestimmte Zustandbeschreibungen wirklich bedeuten sollen:
abgestoßene Kanten |
Das Buch hat seine Kanten endgültig abgestoßen. |
Absolut neuwertig |
Also der Wert ist absolut neu, das Aussehen, nun ja ... |
ansonsten wie neu |
... wenn man vom Schimmel absieht. |
Eselsohren |
Nicht nur im Namen aller Vegetarier (einschließlich Veganer, ohne Makrobiotiker), verwahre ich mich ausdrücklich gegen die Verunglimpfung aller Hörorgane von Grautieren, die nun absolut gar nichts mit dem gelegentlich vermehrten Auftreten umgeknickter Buchseiten zu tun haben. |
Exlibris |
Lateinisch für: das war mal ein Buch. |
Fehlende Seiten |
Genau genommen fehlen nur zwei Seiten: die Vorderseite und die Rückseite. |
Flecken |
Gehen über die ganze Fläche und fallen daher kaum auf. |
Gebrauchsspuren |
Stammen möglicherweise vom Traktor, einer Dampfwalze oder dem Braunkohlebagger. |
Gelesen |
Von allen regelmäßigen Besuchern der Stadtbibliothek, bevor ich es geklaut habe. |
Gut |
Großer Bauernhof |
Gut erhalten |
War gut, bevor ich es erhalten habe. |
Knicke |
Dieses Buch kannst du knicken! |
Kochbuch |
Weißwäsche bei 95 Grad wäre empfehlenswert, um die Flecken rauszukriegen. |
Kratzer |
eine ganz klitzekleine Schramme an der CD, also die sieht man kaum, hören tut man die schon gar nicht, im Grunde genommen ist die so was von minimal, also die hätte man eigentlich gar nicht unbedingt erwähnen müssen, die fällt bestenfalls irgendwelchen oberpedantischen, superpingeligen Erbsenzählern auf, die sich sowieso gerade aufregen, weil sie einen total schlechten Tag gehabt haben, weil sie sich gerade ebenfalls die erste Schramme in ihren 27 Jahre alten Scheckheft-gepflegten Neuwagen gefahren haben, weshalb dann diese kleine, extrem winzige Schramme ihnen den Rest geben wird. Solltest Du zufällig gerade eine Schramme in deinem 27 Jahre alten Neuwagen gefahren haben, bitte nicht zugreifen! Warte noch ein paar Tage, bis die CD weg ist und greife zu deinem eigenen Schutz erst danach zu! |
Leicht verstaubt |
Der Umgang mit offenem Feuer sollte hier vermieden werden |
Mängelexemplar gekennzeichnet, es weist aber keinerlei Mängel auf. |
Die Mängel sind vom Mängelexemplar-Stempel verdeckt! |
Noch gut |
Vor dem Versand ... |
nur 1 x gelesen |
Alle anderen "x" sind noch ungelesen und daher enthalten! |
Ohne erkennbare Mängel |
Ich habe lieber nicht hingeschaut und es vorsichtshalber im Dunkeln eingestellt! |
Ohne Mangel |
Bügelfrei |
Orginalverschweißt |
Mit einem Flammenwerfer? |
Raucherhaushalt |
Das Buch hat aufgehört zu brennen. |
Regalauflösung |
Entsprechend aufgelöst sehen die Bücher auch aus. |
Risse |
Können mit etwas Spachtelmasse leicht behoben werden |
Rundgelesen |
Also Ecken im ursprünglichen Sinne hat das Buch nicht mehr, dafür eignet es sich aber hervorragend zum Fußballspielen. |
Schaden am Buchschnitt |
Also ich schneide meine Bücher ja nur, wenn es unbedingt sein muss! |
schiefgelesen |
Ich konnte beim Lesen nicht gerade sitzen! |
Signiert |
Von allen Kindern der Nachbarschaft. |
Stockflecken |
Stöcke machen keine Flecken, sondern bestenfalls Löcher! |
Striche am Buchdeckel |
Besser als am Bierdeckel! |
Tadellos |
So ein Buch kann doch nichts dafür, dass es so aussieht, da muss man es doch nicht noch tadeln! |
Unterstreichungen |
Sind natürlich von Goethe persönlich. |
Vergilbt |
Dieses Buch bringt Farbe ins Spiel. |
Vergleichsweise gut |
Dafür, dass es drei Wochen auf der Autobahn gelegen hat. |
Wasserschaden |
Antiquarisches Schnäppchen aus der Bibliothek der Titanic. |
Widmung |
Wenn Du Erwin heißt und Deine Tante Elfriede, passt dieses Buch ganz ausgezeichnet zu Dir und Du solltest es unbedingt anfordern. Und Alles Gute zur Aufnahme in die Jugendorganisation der Grauen Panther! |
wie neu |
Als es noch im Regal des Buchhändlers stand. |
Handschriftliche Kommentare |
Werten jedes Buch auf und verleihen dem Werk eine unerwartet persönliche Note. Außerdem erübrigen weise Worte am Seitenrand selbst zur Feder greifen zu müssen. |
altersgemäß gebräunt |
Stammt die Bräune aus dem Urlaub oder aus dem Solarium? |
Minimale Gebrauchsspuren |
Leichte Gebrauchsspuren |
Leichte Gebrauchsspuren |
Mittlere Gebrauchsspuren |
Mittlere Gebrauchsspuren |
Starke Gebrauchsspuren |
Starke Gebrauchsspuren |
Vergiss es! |
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Damals, kurz nachdem die blaue Mauritius noch umgerechnet etwa 55 Cent gekostet hat, stellte sich den Leuten, die sie erfunden hatten das Problem, wie man diese komischen kleinen Umschläge mit dem handschriftlichen Innenleben befördern sollte. Dazu wurden gleich mehrere Dinge annähernd zur gleichen Zeit erfunden: die Post und der Briefträger. Briefträgerinnen waren die nächsten 100 Jahre nicht in Sicht.
Nun muss man bedenken, dass der Brieftransport Mitte des 19. Jahrhunderts etwa so häufig vorkam wie das Versenden einer SMS vor 1993. Briefe wurden von Hand sortiert und per Kutsche oder Pferd zum Bestimmungsort gebracht. Hatte ein hochwohlgeborener Mensch den Wunsch, einen Brief zu versenden, so musste er mit teuerem Porto und wochenlangem Transport rechnen - genau wie heute.
Der Vorgang der Briefzustellung war zu dieser Zeit so ungewöhnlich, dass er durch ein akustisches Signal angekündigt wurde. Parallelen zur E-Mail sind hier rein zufällig. Die Briefträger von damals, Postillione genannt, stießen dazu ins Horn, um alle im näheren Umkreis auf eine bevorstehende Zustellung aufmerksam zu machen. Auch wurde von der Post reichlich ins Horn gestoßen, um sich Platz auf den Vorläufern der heutigen Autobahnen zu verschaffen, denn damals hatten die Postkutschen automatisch Vorfahrt. Wenn man sieht, wie manche Post-LKW heutzutage unterwegs sind, hat sich auch daran wenig geändert.
Mit "Trari, Trara, die Post ist da" auf den Erhalt einer Sendung vorbereitet zu werden hatte schon etwas mehr Stil, als das knappe "Post" heutzutage. Die Übergabe eines Briefes geschah persönlich und nicht wie heute, wo ein Zusteller schon mal in den fünften Stock herauf ruft: "Paket liegt sich vor Haustür, hab schon für Dich unterschrieb!"
Ja, damals als die Sendungen noch hauptsächlich aus Urlaubspostkarten, Briefen und Genesungswünschen von weit entfernten Verwandten und wenigen Rechnungen bestanden, hatten Briefträger ein vergleichsweise angenehmes Leben. Nicht die Menge der Post, sondern die Entfernungen zwischen den Briefkästen machten die meiste Arbeit. Heute ist das umgekehrt: Briefkästen liegen dicht beieinander und werden mit Unmengen (überwiegend unerwünschter) Werbung voll gestopft.
Nur eines ist seither gleich geblieben. Die Wägelchen und Taschen, mit denen Briefträger die Post transportieren. Diese wurden wohl in den fünfziger Jahren erfunden und haben sich seither nicht wesentlich verändert. Da das Postaufkommen heute ein Vielfaches gegenüber früher ist, müssen die Briefträger viel mehr in die Taschen stopfen, oft mehr als eigentlich rein passt.
Die Klappe, die den Inhalt der Tasche vor Regen schützen soll, ist aber leider nur so breit wie die Tasche selbst und steht seitlich nicht über. Und wenn es dann mal regnet, werden die hinein gestopften Briefe, die links und rechts unter der Klappe herausragen eben nass. Hat man nun das Glück, einen Brief aus dem trockenen Bereich der Tasche zu bekommen, kann man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass der eigene Briefkasten zu klein ist, um die ganze Werbung aufzunehmen. Die einzig wichtige Sendung ragt deshalb noch halb aus dem Briefkasten heraus und wird dann doch noch nass und alsbald postwendend gestohlen. Das ist aber nicht weiter schlimm, war ja eh nass!
Vermutlich wird die Post schon bald auf diese unhaltbaren Zustände reagieren und ihre Zusteller mit Taschen ausrüsten, deren Klappen seitlich über den Rand herausragen, so wie bei Fototaschen, wo dieses Problem ja auch gelöst werden konnte. Das wird wahrscheinlich auch nicht länger dauern als die Einführung der 85 Cent-Briefmarke für Büchersendungen - nach der nächsten Portoerhöhung.
Lesen Sie in der nächsten Woche, warum es in meinem Postfach regnet.
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Wann immer im Kreise meiner Freunde und Bekannten das Thema auf Politik, Sport oder Fernsehen kommt, lenke ich selbiges gerne auf Buchtauschbörsen um, und schildere in schillernsten Farben, gerne auch ungefragt, deren Vorzüge. Die erste Antwort ist immer: "Ist denn das nicht irgendwie illegal?"
Da atme ich tief durch und beginne die Unterschiede zwischen Tauschbörsen und Tauschbörsen zu erklären. Ist ja eigentlich auch ganz einfach: die einen tauschen lausig aufgenommene, verwackelte, Briefmarken-groß und mit unverständlichem Ton abspielende Filme oder auf andere Weise illegal kopierten hochaktuellen Müll und versuchen damit im Internet mehr Bandbreite zu nutzen als Spam-Mails. Das nimmt die Film- und Musikindustrie zum Anlass, den Raubkopierer wiederum ihre eigenen ökonomischen Versäumnis anzulasten. Denn auch grundehrliche Menschen mögen den legalen hochaktuellen Müll auf CD und DVD nicht mehr kaufen.
Also müssen die Leute, die Raubkopien weder anfertigen, noch in Umlauf bringen, noch ansehen wollen, sich vor jedem Kinofilm und vor jeder DVD von diesem lustigen Vorspann foltern lassen, der den Betrachter auffordert, doch bitte nicht raubzukopieren. Den Teil schneiden die tatsächlichen Raubkopierer dann heraus. Leute, die nur Dateien tauschen, sind die also die illegalen Bösen und auf eine Stufe zu stellen mit sämtlichen internationalen Terroristen. Die Bemühungen bei der Bekämpfung beider Gruppen sind ja bekanntlich ähnlich erfolgreich.
Die andern jedoch, die keine Datei tauschen, sondern Bücher oder Originalmedien und dafür auch noch Porto zahlen müssen, sind die Guten. Ich erkläre dann noch schnell das Prinzip, wie so eine legale Tauschbörse funktioniert: ein Buch gegen ein Ticket, ein Ticket gegen irgendein Buch und was ich schon alles ertauscht habe.
Alle finden es ganz toll, außer ein paar Männer, die doch lieber wenigstens über Sport und Fernsehen, also die Sportschau, geredet hätten. Nach so ein paar Minuten jedoch, wenn sich bei der Zuhörerschaft das Thema so langsam gesetzt hat und einige vor ihrem geistigen Auge das heimische Bücherregal vorüberziehen lassen, um zum Tausch geeignete Werke auszuwählen, kommen doch Zweifel an der Praktikabilität. Spätestens dann kommt das unvermeidliche Totschlagargument für die Untauglichkeit von Buchtauschbörsen: der Brockhaus-Band.
"Ich würde da doch nie meinen Brockhaus einstellen!"
Dieses Argument kommt überlicherweise von Menschen, die nicht im Besitz eines Brockhauses sind, sonst hätten sie ja mal das Wort "Tausch" nachschlagen können. Und falls sie doch einen haben sollten (Bände A-L, für M-Z hat das Geld nicht gereicht), wollen sie dann wenigstens eine Gutenberg-Bibel dafür haben.
"Das taugt doch alles nichts! Wenn ich jetzt meinen Brockhaus da einstelle und ich dann nur so ein abgewichstes Taschenbuch dafür tausche, dann hab ich doch Verlust gemacht!"
Ich werfe dann ein, dass Gewinnmaximierung doch gar nicht das Ziel eines Tauschgeschäftes sei, sondern vielmehr, nicht mehr benötigte Dinge gegen andere zu tauschen, die man besser gebrauchen könne. Diese an sich recht einfache Idee leuchtet aber nicht jedem ein.
"Also ich würde da nur tauschen, wenn ich mich dabei verbessern kann! Und überhaupt, warum kann man nicht mehr als ein Ticket für ein Buch verlangen."
Mühsam versuche ich dann zu erklären, dass es nicht darum geht möglichst viele Tickets zu horten, sondern interessante Bücher dafür zu bekommen.
"Aber wenn die Anzahl der Tickets über Angebot und Nachfrage geregelt würden, dann wäre das doch soziale Marktwirtschaft!"
Angebot und Nachfrage hat mit sozialer Marktwirtschaft nichts zu tun. Das Erzielen höherer Preise ist blanker Kapitalismus, nichts anderes. Soziale Marktwirtschaft ist, wenn versucht wird, für alle einen angemessenen Preis zu erzielen, so dass zwar nicht alle gleich viel haben, aber wenigstens keine Not entsteht.
Aber das war mal. Ich finde es immer wieder interessant, wie neoliberale Konservative es schaffen, der Masse klarzumachen, dass es sozial ist, wenn man ihr was wegnimmt oder der Preis dafür steigt. Kann sein, das so etwas manchmal unvermeidlich ist, aber man sollte es nicht auch noch sozial nennen. Sozial ist anders.
Spätestens dann kommen die abschließenden Totschlagargumente und es wird Zeit das Thema zu wechseln:
"Was nichts kostet, taugt auch nichts! Ich gehe lieber zu Ebay! Das hält sich nicht lange. Wenn man da keinen Gewinn machen kann, funktioniert das auch nicht."
Sagen Menschen, die anscheinend Geld aber keine Bücher haben.
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Das Prinzip einer Buchtauschbörse ist denkbar einfach: man tausche einfach bereits gelesene Bücher gegen solche, die man noch lesen möchte. Soweit die Theorie. In der Praxis jedoch kommt man kaum noch zum Lesen, weil man ständig mit Tauschen beschäftigt ist. Das Tauschen wird zum Selbstzweck.
Früher oder später kommt der Tauschrummel jedoch zum Stillstand, nicht etwa weil zwischenzeitlich die Vernunft eingekehrt ist, sondern weil einem die guten Bücher zum Tauschen ausgegangen sind. Das virtuelle Regal bevölkert nur noch der unvermeidliche Bodensatz von Büchern, die allem Anschein nach niemand haben will.
Zu diesem Zeitpunkt hat der durchschnittliche Buchtauscher bereits einen Lesevorrat angelegt, der für die nächsten 30 Jahre im atombombensicheren Bunker mehr als ausreichend ist. Bedauerlicherweise hat der Kalte Krieg inzwischen Zimmertemperatur und der langjährige Aufenthalt in entsprechenden Hochsicherheitsgewölben ist eher unwahrscheinlich. Egal, es wird trotzdem weitergetauscht! Nur, womit?
Die üblichen legalen Methoden, sich mit tauschbarer Literatur einzudecken sind schnell abgegrast: Flohmarkt, Wühltisch, Antiquariat, Mängelexemplare, Sonderangebote, Freunde beleihen, Leihbüchereien berauben, Verwandte unter Druck setzen, Tunnel in nahe gelegene Buchhandlungen graben.
Deutlich illegal ist es jedoch, sich in diversen Foren lautstark jammernd mit Threads zu melden wie: "Keiner schaut in mein Regal!". Nur gute Erziehung, grenzenloses Erbarmen, soziale Verantwortung und die Genfer Konvention verhindern, kurz und knapp zu antworten: "Äh, ja und?". Stattdessen bekundet man Mitleid und tauscht wieder besseren Wissens eine von den vielen Autobiographien, die für Dieter Bohlen geschrieben wurden. Menschenrechtlich einwandfrei wäre jedoch eine unfreundliche Antwort gewesen, das unverschämte Betteln umgehend einzustellen. Die Folgen von so viel Direktheit wären allerdings gesellschaftliche Ächtung, soziale Verwahrlosung und Eintritt in die FDP.
Spätestens, wenn man beschließt, einen Buchladen durch den Eingang zu betreten, um für Literatur den vollen Preis zu zahlen, ist es an der Zeit die Sucht einzugestehen und eine Therapie in Erwägung zu ziehen. Überall im Lande werden bereits Selbsthilfegruppen von Tauschsüchtigen gegründet, oft schamhaft als Literaturstammtisch getarnt. Denn fehlt es in der Bevölkerung an Anerkennung für diese schwere Krankheit, die alle Belange des Alltags beeinträchtigen kann.
Hier muss noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Die einfachen Bürger draußen im Lande werden wahrscheinlich erst wachgerüttelt und die große Not erkennen, wenn sie in Fußgängerzonen nicht mehr "Hasse mal en Euro?" hören, sondern eher: "Hamse mal en Tintenherz odern Potter?". Ich sehe schon die Heilsarmee stapelweise Konsaliks heranschleppen.
Für alle Tauschabhängigen, die noch nicht durch den sozialen Warenkorb gefallen sind, bleibt trotz aller Fortschritte bei den Treffen der Anonymen Buchtauscher (ABT) ein grundlegendes Problem. Wie kommt man trotzdem an Bücher? Manche beginnen verzweifelt, bereits getauschte Bücher ungelesen wieder einzustellen. Aber diese Form der Literaturmasturbation bleibt letztlich unbefriedigend. In der größten Not neigt der Tauschsüchtige, wie alle Abhängigen, zur Beschaffungskriminalität.
Während die einen versuchen, entgegen allen Regeln und gesellschaftlichen Normen mehr als ein Ticket für ein Buch zu verlangen, geht die Masse der Abhängigen den inflationären Weg. Die Aussicht auf die begehrte Tauschwährung, die die Anschaffung neuer Literaturdrogen ermöglicht, verdirbt die Preise. Was moderat als 2:1-Tausch beginnt, steigert sich langsam über 3:1, 4:1 bis hin zum kompletten Regal für nur ein Ticket. Diese bedauerliche Form der literarischen Anbiederung ist aber nur die mildeste Form der Ticketbeschaffung. Wanderpakete, Tauschspiele und verbotene Glücksspiele treiben bis dahin unbescholtene Tauscher in die Grauzone der Illegalität.
Ticket-Begehrlichkeiten treiben aber noch ganz andere Blüten. Fehlt es an Büchern, fälscht man einfach welche, indem man kostenlos erhältliche Broschüren kurzerhand zu Büchern erklärt und ihnen eine - oft ebenso falsche - ISBN verpasst. Der unschlagbare Vorteil dieser Vorgehensweise ist der nie versiegende Nachschub. Den liefern überwiegend kostenlose Publikation von Bundes- und Landesbehörden, die man sogar noch portofrei anfordern kann - finanziert durch den Steuerzahler.
Findet aber ein Tauschpartner heraus, dass er ein wertvolles Ticket für eine Broschüre geopfert hat, die er andernorts auch versandkostenfrei geschenkt bekommen hätte und äußert das undankbarerweise auch noch in der Bewertung, kann man schon mal als Gegenbewertung lesen, man habe das nichts gewusst. Um nicht zu wissen, dass die Hälfte des eigenen Regals aus kostenlosen Broschüren besteht, muss man entweder grenzdebil dämlich oder gerissen raffgierig sein. Da ich grundsätzlich an das Gute im Menschen glaube, kommt letzteres wohl nicht in Betracht.
Folgende beliebte, aber dennoch kostenlose Broschüren können unter den angegebenen Links bestellt oder heruntergeladen werden:
Alkoholabhängigkeit - Suchtmedizinische Reihe
http://www.bzga.de/?id=medien&sid=69&idx=1232
Aufregende Jahre - Jules Tagebuch
http://www.bzga.de?id=medien&sid=72&idx=1162
Band 3: Stillen und Muttermilchernährung, Grundlagen, Erfahrungen und Empfehlungen
http://www.bzga.de?id=medien&sid=62&idx=628
Bauen im Einklang mit Natur und Landschaft
http://www.stmugv.bayern.de/de/aktuell/download/natur/leitf_oe.pdf
Don Cato - Rückkehr des Luchses
http://www.bmu.de/publikationen/info-material_bestellen/content/4159.php
Drogenkonsum in der Partyszene
http://www.bzga.de/?id=medien&sid=-1
Essstörungen, Autor: Prof. Dr. Alexa Franke
http://www.bzga-essstoerungen.de/medien/broschueren.htm
Flüsse und Bäche. Lebensadern Bayerns
http://www.bayern.de/LFW/iug/link.html
Grundwasser. Der unsichtbare Schatz.
http://www.bayern.de/lfw/service/produkte/veroeffentlichungen/gesamtverzeichnis/verzeichnis.pdf
Hochwasser. Naturereignis und Gefahr.
http://www.bayern.de/LFW/iug/link.html
HomoSuperSapiens. Hoch begabte Kinder erkennen und fördern.
http://www.netzwerkhochbegabung.de/litdet.php?id=5
Ich bin für dich da. Erfahrungsberichte.
http://www.alzheimer-forschung.de/web/publikationen/information_ichbinfuerdichda.htm
http://www.bzga.de/?id=medien&sid=73&idx=76
http://www.schwabe.de/kopfsache-interaktiv.de/
Raucherentwöhnung in Deutschland
http://www.bzga.de/?id=medien&sid=62&idx=586
http://www.bzga.de/?id=medien&sid=77&idx=95
http://www.bzga.de/?id=medien&sid=77&idx=1174
Wildbäche. Faszination und Gefahr.
http://www.bayern.de/LFW/iug/link.html
ISBN-Check (Test auf korrektes Format einer ISBN)
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Am Anfang war das Wort, dann kam das Buch und schließlich das Ticket. Letzteres wird mittlerweile so inbrünstig verehrt, dass der Mangel daran oder schlimmer noch der Verlust eines Tickets unser Leben inhaltslos und leer erscheinen lassen - wie ein Buch von Dieter Bohlen.
Um den Wert eines Tickets richtig einschätzen zu können, muss man sich notgedrungen an die Zeiten erinnern, in denen man Bücher nicht gegen Tickets tauschte, sondern schnöden Mammon in den Buchhandel trug. Oder man macht sich begreiflich, dass es Tickets für noch ganz andere Dinge im Leben gibt.
Als Parkhausticket zum Beispiel. Dieses kleine Stück Pappe, an das man nicht herankommt, auch wenn man die Scheibe weit genug heruntergekurbelt hat und das man grundsätzlich an der Ausfahrt falsch herum in den Automaten steckt.
Oder als Bahnticket. Fahrtausweise, von denen man noch wusste, was sie kosten und wann sie gelten, als sie noch Fahrkarten hießen.
Äußerst populär ist dieser Tage auch das Billigflugticket. Früher hat man sich erst überlegt, wohin man wollte, danach zu welchem Termin und hat sich schließlich das passende Verkehrmittel gesucht. Bei Billigfliegern stehen die Prioritäten auf dem Kopf: zuerst kommt ein preiswertes Ticket (nur Hinflug nach Grönland für nur 19,95), dann ein möglicher Termin (wie das Mittagsmenü im Chinarestaurant: nicht an Wochenenden und Feiertagen) und zum Schluss überlegt man sich, was um alles in der Welt man in Grönland überhaupt will.
Aber warum denn in die Ferne schweifen? Die tägliche Anreise zur Arbeit ist doch auch nichts anderes als Urlaub von zuhause. Stau oder Jobticket ist hier die Frage. Nur für Arbeitnehmer in der Automobilindustrie wäre der Weg zur Arbeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln wenig konsequent. Denen müsste es eine Ehre sein, jeden Morgen im Stau zu stehen.
Das Ticket nach Olympia ist ja schon längst wieder Geschichte. Nur die Athleten, die beim Doping eine Formkrise hatten, durften dieses begehrte Ticket nicht lösen.
Das Ticket jedoch, das zurzeit aber die ultimativen Begehrlichkeiten weckt, ist das WM-Ticket. Weil das Angebot geringer ist als die Nachfrage, wird die ohnehin schon knappe Ressource der Eintrittskarten zur Fußballweltmeisterschaft nun unglaublich wertvoll. Selbst Menschen, die sich bisher nie für Fußball interessiert haben, nehmen plötzlich unglaubliche Anstrengungen in Kauf, um für teuer Geld einen Stehplatz hinter einem Pfeiler zu bekommen, nur um das Spiel Trinidad gegen Tobago hören zu können.
Die gute Nachricht allerdings ist: es sind nur noch 100 Tage bis unsere Helden in der Vorrunde ausscheiden. Dann wird das Ticket endlich wieder zur Fahrkarte. Verwunderlich bleibt aber, wie viel Energie die Fußballverantwortlichen in das Gelingen des Scheitern investiert haben. Zuerst suchen sie sich per TFK (Trainerfindungskommission) einen Trainer, der nichts anderes zu tun hat als die WM zu gewinnen. Beim Bewerbungsgespräch fällt niemandem unter den Verantwortlichen auf, dass der Wunschkandidat in den USA lebt und das auch beibehalten möchte. Jahre später merken sie es dann doch, machen dem besten aller Trainer das Leben so schwer wie möglich und schließlich motivieren sie ihn auch noch kurz vor der WM perfekt durch ein Trommelfeuer der Kritik, nur damit sie am Ende recht gehabt haben.
Der Deutsche an sich neigt eben auch beim Mobbing zur perfiden Perfektion. Absolut peinlich wäre allerdings, Deutschland würde trotzdem Weltmeister. Dann wäre der ganze Stress völlig umsonst gewesen und alle hätte es von Anfang an gewusst haben müssen! Um dieser unkalkulierbaren Situation vorzubeugen, wird die Bundesregierung vermutlich in Kürze die Mannschaftsaufstellung der Nationalelf beschließen, wie das in allen populären Bananenrepubliken so üblich ist.
Der zukünftige Bundesdeppentrainer wird zukünftig nach dem Container-Prinzip bestimmt: Man sperre alle gescheiterten Bundesligatrainer in die Kulisse von Big Brother und wähle jede Woche einen raus. Die durch den Rauswurf erworbene Prominenz verhilft sofort zu einem Trainerjob in der Dritten Welt und wer am Ende übrig bleibt muss leider Bundestrainer werden. Das würde auch vermeiden, dass in der Bundesliga alle Mannschaften im Herbst mal eben die Trainer untereinander austauschen müssen, um eine Begründung für das bisherige schlechte Abschneiden zu haben.
Wenn das mit dem Fußball nichts mehr wird, kann man die Arenen wenigstens mit Konzerten füllen. Auch dafür braucht man Tickets, Robbie Williams-Tickets bevorzugt. Die letzte Bastion der Musikindustrie, denn Livekonzerte kann man nicht herunterladen, wohl aber gefälschte Eintrittskarten. Die sind ein deutliches Anzeichen dafür, dass Konzerttickets zu teuer sind, sonst würde sich das Fälschen nicht lohnen. Oder hat schon mal jemand ein Ticket für ein Museum gefälscht?
Will man trotzdem Fußball sehen und das Geld für Tickets sparen, sollte man sich in genau 100 Tagen auf den Posten des Bundestrainers bewerben. Freier Eintritt zu allen Länderspielen garantiert - und freier Rücktritt.
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Der Betreiber der Tauschbörse verschickt Werbung? Schlimmer noch, Spam-Mails? Darf der das?
Ja, er darf. Zum einem handelt es sich nicht um Spam, denn der kommt üblicherweise von Leuten, die man gar nicht kennt. Zum anderen haben wir alle durch den Beitritt zur Tauschbörse zugestimmt, dass wir hin und wieder eine Mail vom Betreiber erhalten - ohnehin eine Mail in eigener Sache.
Korrigiert mich, wenn ich falsch liege, aber bisher habe ich vom Betreiber in anderthalb Jahren vielleicht 3 oder 4 Mails bekommen, die man als Werbung einstufen könnte. So viele Spam-Mails zum Thema Viagra oder PIN-und-TAN-Phishing bekomme ich oft in einer einzigen Stunde.
Jetzt muss man solche Nachrichten nicht unbedingt mögen, vor allem, weil sich deren Nützlichkeit meist nicht sofort erschließt. Den Meisten sollte jedoch einleuchten, dass auf einer werbefinanzierten Plattform irgendeine Form von Werbung gemacht werden muss.
Wie viel Werbung aber braucht der Mensch? Im Prinzip braucht der Mensch überhaupt keine Werbung, denn wir sind ja alle mündige Bürger und wissen, wo und wie man sich über Produkte und Dienstleistungen hinreichend informieren kann. Lediglich einige wenige überkommt ab und zu regelmäßig eine gewisse Trägheit, die dazu führt, dass sie ihrer Informationspflicht nicht nachkommen und damit Konsum, Arbeitsplätze, Steuernzahlen und damit letztlich die freiheitliche Grundordnung an sich gefährden.
Für diese Menschen und jene, die sich gerne manipulieren lassen, wurde zu diesem Zweck die Werbung erfunden. Selbstlos wird dem Verbraucher so lange vorgeschlagen, was ihm zu gefallen hat - bis er es glaubt und kauft. In Rundfunk, Fernsehen und Zeitungen haben wir diese Vorgehensweise längst akzeptiert. Im Internet jedoch wird das plötzlich zum Problem, weil wir Tag für Tag mit Werbung überschwemmt werden - vor allem mit solcher, die wir überhaupt nicht wollen.
Anders als in den übrigen werbefinanzierten Medien kann man im Internet jedoch bei Werbung so schlecht wegschauen, schon gar nicht wenn sie per E-Mail kommt. Aber das genau ist die richtige Lösung: alles ignorieren was man nicht kennt! E-Mails lassen sich so filtern, dass Nachrichten nur von bekannten Absendern durchgelassen werden. Aber kaum jemand richtet sein E-Mail-Programm so ein, denn man könnte doch was verpassen. Vielleicht ist da ja doch ein brauchbares Sonderangebot dabei!
Der Feind ist also weniger der böse Spam-Mail-Versender, sondern die eigene Gier und Neugier. Davon leben nicht nur die Spammer gut - nein, auch für die Virenprogrammierer ist das ein Fest. Versprich das Unglaubliche und schon hast du einen Klick!
Leider ist sich die Werbung dieser manipulativen Kraft bewusst und die Mehrheit der Internetnutzer lebt anscheinend noch im Märchenland, wo alle edel und gut sind und die wenigen Bösewichte am finsteren Blick leidlich genau zu erkennen sind. Fatalerweise ist die Realität doch irgendwie anders, denn die Bösen sind oft die mit dem Zahnpastalächeln.
Auch wenn Werbung toll aussieht: Werbung lügt! Sie muss sogar lügen, sonst würde sie gar nicht mehr wahrgenommen. Weil der Normalverbraucher mit der Wahrheit schon gar nicht mehr zufrieden zu stellen ist. In der Werbung genügt es schon längst nicht mehr, die positiven Eigenschaften eines Produktes zu vermitteln. Das muss man schon ordentlich übertreiben.
Deshalb bin ich kein großer Freund von Werbung. Ich ignoriere sie, wo ich kann: im Radio mache ich sie aus, im Fernsehen zappe ich weg, blinkende Banner im Internet blende ich aus und die Beilagen in Zeitschriften wandern gleich ins Altpapier. Nicht weil ich generell gegen Werbung bin, sondern weil es der meisten Werbung an Originalität mangelt: zu wenig Humor, zu viel warme Luft, zu viele Versprechen, zu viele Gewinnspiele, viel zu wenig Information. Wenn ich die Wahl habe, ein Produkt oder eine Dienstleistung umsonst und mit Werbung oder gegen Gebühr und werbefrei zu erhalten, muss ich das also sehr gut abwägen.
Den Meisten fällt diese Abwägung im Internet offensichtlich leicht. Viele Dienstleister sind vollständig werbefinanziert und können damit die Kosten decken. Einige verdienen sogar recht gut damit. Für sehr gefragte Leistungen kann man sogar Geld verlangen. Bei Kleinbeträgen lohnt sich allerdings das Einziehen wegen der entstehenden Bankgebühren kaum. Solange es also kein preiswertes, flächendeckend verbreitetes und vom Anwender akzeptiertes Zahlungssystem im Internet gibt, ist die werbefinanzierte Dienstleistung die einfachste Alternative.
Und warum meckern wir dann, wenn der Betreiber uns eine E-Mail schickt, in der er uns über eine neue Bonusticket-Aktion informiert? Bösartig, unnötig, brauchen wir nicht, wissen wir doch alles schon, steht doch auch dick und fett auf meiner Homepage, tönt es aus dem Forum.
Stimmt, aber schon mal an die Teilnehmer gedacht, die weniger erfolgreich sind, als die täglichen Forumschreiber? Jene, die nicht täglich online sind? Tausch-Teilnehmer, die mangels guter Angebote, schön präsentierter Regale oder Forums-Popularität über ihre Einstandstickets nicht hinausgekommen sind und deshalb nicht mehr regelmäßig vorbeischauen. Für die ist doch ein Bonusticket ein idealer Anreiz, den Umsatz wieder anzukurbeln. Und bei wem werden diese Bonustickets schließlich landen? Bei denen mit den guten Angeboten, den schön präsentierten Regalen und der großen Forums-Popularität. Also bei manchen, die jetzt meckern.
Aber darf der Betreiber die Meckerer einfach löschen, zeitweilig sperren oder ganz rauswerfen?
Ja, er darf. In einigen Fällen muss er sogar. Da der Betreiber die Seite mit Werbung finanziert, muss er darauf achten, dass seine Sponsoren nicht etwa übel beschimpft werden. Hier würde sonst der Verlust der Werbeeinnahmen oder schlimmer noch Schadenersatz drohen. Den eigenen Ruf muss er ebenfalls schützen, sonst wird er für Werbende unattraktiv. Wo geltendes Recht verletzt wird, muss er sogar ab Kenntnisnahme einschreiten, sonst wird er selbst haftbar.
Ist das jetzt das Ende der Meinungsfreiheit? Fällt jegliche Kritik der Zensur zum Opfer? Wohl kaum, wie wir sehr wohl wissen, denn sonst gäbe es das Forum schon lange nicht mehr. Aber es gibt für alles eine Schmerzgrenze. Wie viel aber ist zu viel? Diese Frage wird in allen Foren weltweit täglich neu definiert. Letztlich entscheiden Wortwahl, Kontext, Vorgeschichte, Betroffenheit und Bedeutung der Sache, ob Beiträge toleriert werden können oder nicht. Und das entscheidet allein der Betreiber, denn der muss am Ende den Kopf dafür hinhalten.
Aber warum werden fragwürdige Beiträge und regelverstoßende Teilnehmer kommentarlos gelöscht? Ist der Betreiber da nicht zur Information verpflichtet?
Natürlich könnte der Betreiber jeden dieser Vorgänge ausgiebig kommentieren. Aber das würde noch mehr Neugierige anziehen und die unausweichliche Diskussion noch weiter in die Länge ziehen. Bevor Dinge schlecht geredet werden, weil sie zu sehr präsent sind, deckt man lieber den Mantel des Vergessens darüber aus. Das wird in vielen Foren im Internet so praktiziert.
Die menschliche Natur ist überwiegend sinnsuchend. Wir akzeptieren einfach nicht, dass Dinge einfach so, ohne Ursache und Begründung passieren. Noch weniger akzeptieren wir, dass es eine Begründung gibt, wir sie aber nicht kennen. Selbst wenn wir wissen, dass Teilnehmer Dingsda wegen Verstoßes gegen Regel Soundso gesperrt wurde, reicht uns das nicht. Wir wittern Unrecht, Willkür, Verrat und Verschwörung!
Das ist gut, denn das ist das Material, aus dem Revolutionäre geschnitzt sind! Nur brauchen wir im täglichen Leben meist keine Revolutionen. Ich persönlich würde es bevorzugen, wenn sich die Revolutionäre mit all ihrer Energie in Themen einbringen würden, die geringfügig bedeutender sind. Umweltzerstörung, Soziale Gerechtigkeit, Menschenrechte wären da ein Anfang.
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Ich verirrte mich unlängst in einen neuen Billigbuchladen, so einer, der Bücher nicht in Regalen sondern in Stapeln anbietet. Also wühlte ich mich durch die Kiloware und war sehr schnell sehr enttäuscht: nur sinnloser Schrott, dafür gnadenlos billig. Die richtig guten Bücher aber waren richtig teuer. Schließlich kaufte ich einen Kalender für 3 Euro und ging.
Am Ausgang kam ich an einer DVD-Wühlkiste vorbei. Ja, Wühlkiste. Für einen Wühltisch fehlte es dem Etablissement an Stil. Da hatte ich ein Déjà vu von ungeahnter Kraft. Ich sah eine typische Film-Startseite der Tauschbörse vor mir ausgebreitet:
- Turbulence
- Lola rennt
- Judith und das Schwert der Rache
- Cabin Pressure - Terror über den Wolken
- American Born (Neu & OVP!)
Verzweifelt suchte ich nach einer Maus, um es wegzuklicken, bis ich mir der fehlenden Virtualität bewusst wurde. Ich schüttelte den Kopf, als könne das den Anblick des digitalen Ramschs aus meinem Gedächtnis tilgen und ging schräg gegenüber in einen Zeitschriftenladen. Nur drei der dort angebotenen Publikationen lag keine aktuelle DVD eines vor zwei Jahre in den Kinos gnadenlos gescheiterten Mega-Blockbusters bei. Ein weiteres Déjà vu! Vor genau 10 Jahren waren es die gleichen drei Zeitschriften, denen damals keine AOL-CD beilag.
Passend zur Fußballweltmeisterschaft überfluten uns jetzt die Gratis-CD-ROMs mit den Spielerporträts unserer Helden (gratis bei jedem Einkauf ab 25 Euro, also nicht völlig gratis, nur so quasi umsonst), um dem riesigen Müllberg, den AOL gebildet hat, noch Konkurrenz zu machen. Andererseits ist DFB-CD-Rom Nummer Drei schon jetzt ein gesuchtes Sammlerstück, weil ein Spieler zwar ausführlich vorgestellt wird, aber bei der WM gar nicht dabei ist.
Dennoch wird die "Blaue Kuranyi" der CD-ROMs nach den drei einzigen WM-Spielen unserer Nationalmannschaft schnell an Wert verlieren. Weil es inzwischen schon zu viel WM gibt, bevor sie überhaupt angefangen hat. Jedes Produkt sieht mittlerweile wie ein Fußball aus und wird bald schon verramscht werden müssen, weil es schon jetzt keiner mehr kaufen mag. Wir wollten doch gar keine Fußmatten, die wie Fußballstadien aussehen, wir wollten doch nur Eintrittskarten und Sport sehen. Oder nicht einmal mehr das.
Die multimediale Reizüberflutung im Kampf um Marktanteile führt geradewegs zur Übersättigung. "Lola rennt" soweit das Auge reicht. Dabei war das nicht mal ein schlechter Film, ganz im Gegenteil. Aber wie oft und aus wie vielen verschiedenen Quellen muss man ein Medium wahrnehmen, bis es sich von Spam nicht mehr unterscheiden lässt?
Bevor ich von den Lolas überrannt wurde, suchte ich das Weite und fand die Leere. In meinem heimischen Regal stapeln sich derweilen preiswert erworbene oder getauschte DVDs, aber ich sehe mir kaum noch welche an. All die unsterblichen Filme, die man unbedingt gesehen haben muss, hat man längst gesehen. Und wenn nicht, fällt es kaum noch auf.
Im Fernsehen lief gerade "Dogma". Den muss man gesehen haben. Kann man auch immer wieder sehen. Hab ich aber nicht, in der festen Überzeugung, ihn längst werbefrei auf DVD zu besitzen. Da ich ihn nicht finden konnte, hab ich ihn gleich online geordert, nur um die wertvolle Scheibe ins Regal zu stellen und mich bei der nächsten Fernsehausstrahlung daran zu erinnern. Und es wieder nicht anzusehen.
Das nächste Déjà vu: Vor genau 20 Jahren hatte ich schon einmal eine Sammlung von Dingen, die man nicht brauchte, aber trotzdem unbedingt besitzen musste. Mein erster eigner PC hatte mein gesamtes Kapital verschlungen, für den Kauf von teurer Software blieb da kaum was übrig. Also wurde fleißig getauscht. Nicht online wie heute, sondern man traf sich bei Freunden, möglichst solche, die eine Kiste Bier und zwei Diskettenlaufwerke hatten. Da ging das Kopieren deutlich schneller als bei zwei Kisten Bier und einem Diskettenlaufwerk.
Schnell wurde ausgehandelt, wer was brauchte: dBase gegen Framework, Lotus gegen AutoCad, WordPerfect gegen Word. Berge leerer Disketten wurden auf diesen digitalen Tupperpartys angeschleppt und mit Software gefüllt, die man nie im Leben brauchen würde. Dennoch wurde stundenlang kopiert, Kopierschutzmaßnahmen trickreich ausgehebelt und eine riesige Software-Bibliothek angelegt.
Bis dann mal der Staatsanwalt kam und der Spuk ein Ende hatte. Danach saßen wir wieder auf Bergen leerer, weil frisch formatierter Disketten. Es wäre unaufwändiger und wahrscheinlich auch preiswerter gewesen die 2 Programme, die man tatsächlich brauchte, gleich zu kaufen. Was man dann sowieso tun musste.
Man hätte die Zeit auch dafür nutzen können, sich in die Programme, die man besaß aber nicht verwendete, einzuarbeiten. Mit dem Know-how hätte sich trefflich Geld verdienen lassen. Und wieder ein Déjà vu. Vor genau 30 Jahren begann ich auf einem geliehenen Computer Software zu entwickeln, um damit mein karges Taschengeld aufzubessern. Ein kleines Buchhaltungsprogramm für den Nachbarn. Kopien machen und an andere verkaufen, vertauschen oder verschenken? Völlig sinnlos, der nächste Mensch mit einer passenden Hard- und Software lebte vermutlich jenseits der Landesgrenzen. Wie schnell doch der Weg vom einzigartigen Produkt zur Massenware verlief.
Und noch ein Déjà vu: Vor 40 Jahren saß ich zum ersten Mal vor einem Computer, einem großen, blinkenden Kasten, der nicht einmal einen Bildschirm besaß, sondern über Lochstreifen und eine lärmende Kugelkopfschreibmaschine gefüttert wurde. Damals fütterten wir noch die Maschinen und nicht umgekehrt wie heute.
In Kenntnis von gerade mal 3 Grundrechenarten tippte ich brav "1+1" ein. Die Maschine antwortete mit "?". Ich wusste, ein anstrengendes Leben würde vor mir liegen.
Das finale Déjà vu vor fast fünfzig Jahren: Dunkelheit, Stille, Ruhe, Nichts. So hätte es bleiben können, aber der Urknall war wohl unvermeidlich.
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"Folgen Sie mir weiter, bitte. Nein, wir sagen niemals 'Verrückte', für uns sind alle natürlich Patienten, die unserer fachmännischen Hilfe bedürfen. Wir sagen auch nicht 'Zelle', sondern Patientenzimmer.
Hier in Zelle, äh Patientenzimmer 17, das ist Ziegler. Er leidet unter der Wahnvorstellung, dass das Tauschen von Büchern im Internet nur unter Aufsicht eines speziell für diesen Zweck öffentlich bestellten Rechtsgelehrten ausgeführt werden darf, so wie die Ziehung der Lottozahlen im Fernsehen, verstehen Sie. Welche Therapie wir verfolgen? Nun, wir bringen ihm erstmal das Lesen bei.
Der nächste Patient hat sich selbst eingewiesen, weil er in der modernen Welt nicht mehr zu Recht kam. Er versuchte immer wieder in kostenfreien Tauschbörsen zu bezahlen und steigerte bei Ebay in Naturalien mit. Aber nicht jeder akzeptiert 2000 Äpfel für einen Laptop, selbst wenn es von Apple ist. Nein, wir machen normalerweise keine Scherze über unsere Insassen.
Der Patient im nächsten - äh - Zimmer besteht darauf, CDs grundsätzlich als teuere Warensendung zu verschicken, anstatt als Brief, weil er glaubt, dass der Inhalt durch das erhöhte Porto wertvoller würde. Nein, kein hoffnungsloser Fall, der Patient spricht auf die Behandlung sehr gut an, bis zur nächsten Portoerhöhung zumindest.
Hier gegenüber haben wir dann den klassischen Verfolgungswahn. Der Patient, ein erfolgreicher Linux-Programmierer, wurde gewalttätig gegen sich selbst, weil er nicht verstehen konnte, dass das gesamte Internet nicht immer und in vollem Umfang seiner Meinung war.
Dort haben wir Mr. Brown, wie er sich selbst zu nennen pflegt. Er sitzt den ganzen Tag an seiner Schreibmaschine und tippt aus verschiedenen Büchern einzelne Passagen ab und reiht sie aneinander. Fertige Manuskripte verschickt er an einen vermeintlichen Namensvetter in den USA. Nein, wir lassen ihn gewähren, seit ein anonymer Gönner seine Behandlungskosten übernommen hat. Er ist sehr öffentlichkeitsscheu und spricht nur selten, Na, wie geht es uns denn heute, Dan?
Die erste Patientin im nächsten Flügel, wenn Sie bitte die Stahltüre hinter sich schließen möchten, leidet unter der Zwangsvorstellung, dass Büchersendungen nur deshalb lange unterwegs sind und unverschlossen verschickt werden müssen, weil die Bediensteten der Post grundsätzlich alle Sendungen öffnen und die Bücher erst einmal selbst lesen. Als Beweis für ihre These führt sie an, dass Bücher, die ihr geschickt wurden, häufig vertauscht waren. Das ist natürlich absurd. Sie wurde eingewiesen, weil sie ständig versucht hat, auf offener Straße mit Briefträgern über Literatur zu diskutieren, was natürlich auf wenig Gegenliebe stieß.
Hier sehen Sie in Nummer 28 einen typischen Tauschschaden. Die Patientin ordnet tagein tagaus ihr Bücherregal, liest aber kein einziges Buch. Wir müssen die Patientin aus Zelle 137 natürlich von Ihr fernhalten weil diese eine unheilbare Buchzustandsneurose hat. Würde Sie sehen, wie 28 auch nur ein einziges Eselsohr verursacht, würde sie völlig durchdrehen, da wäre ein Amoklauf ein Spaziergang dagegen.
Warum diese Frau vollständig mit Luftpolsterfolie umwickelt ist? Ein Kindheitstrauma. Wurde in einer katholischen Leihbücherei von herabfallenden, unverpackten Büchern getroffen. Sie ist noch nicht völlig geheilt, aber seitdem wir sie ermutigt haben, zum evangelischen Glauben zu konvertieren, trägt sie schon zwei Schichten weniger.
In dieser Zelle, äh in diesem Patientenzimmer sehen Sie einen durchaus hartnäckigen Fall. Die Patientin ist überwiegend apathisch und murmelt ständig "2:1" vor sich hin. Aber auch hier gibt es erste Erfolge, denn wir konnten sie von "3:1" runterhandeln.
Hier entlang bitte zu dem Patienten, den wir den Buchhalter nennen. Er ist davon überzeugt, dass sich ein Tausch nur dann lohnt, wenn man sich dabei verbessern kann. Er führt sorgfältig Buch über all seine Tauschgeschäfte, damit er ständig überprüfen kann, wie viel Gewinn er schon gemacht hat. Daher wissen wir auch, was er vorhat: Er will durch erfolgreiche Tauschgeschäfte soviel verdienen, dass er davon die Klinik kaufen und sich dann selbst entlassen kann.
Im nächsten Flügel kommen dann die schwierigen Fälle: notorische in-falsche-Kategorien-Einsteller, Buchrücken-Knick-Phobiker, Hotline-Mitarbeiter von Tauschbörsen, durch selbstklebende Marken aus der Bahn geworfene Briefmarkensammler, Mütter, deren Kinder den kompletten Brockhaus in Tauschbörsen eingestellt haben, Mängelexemplarhysteriker, Kunden, die am Schalter mit Postbediensteten diskutiert haben, Abzocker und nicht zuletzt die nicht unerhebliche Zahl derer, die hinter unzureichender Verpackung die große Weltverschwörung vermuten. Bei diesen Verrückten, äh Patienten, ist mit einer schnellen Genesung nicht zu rechnen.
In der Ambulanz finden Sie wiederum die leichteren Fälle: Taschenbuchallergiker, Hörbuchaufteiler, AGB-Ignorierer, Quertauscher, Lupophobiker, Nachforschungsauftragsfetischisten, Knick-im-Titel-Traumatiker, Postfachgeschädigte, Wühltischsortierer, Bewertungsdrängler, selbsternannte Forums-Sheriffs.
Hier können wir die einfachen Formen von Buchverlustängsten, Online-Realitätsverlust und allgemeiner Versandpanik behandeln und durch betreutes Lesen, Gruppensitzungen - ja, auch online - oder eine Forums-Brüll-Therapie einiges erreichen. Richtig, das geschieht in enger Zusammenarbeit mit der lokalen Gruppe der Anonymen Buchtauscher, sehr engagierte Leute übrigens.
In unserer kleinen Bibliothek dort links therapieren wir akute Fälle von Tauschsucht. Nein, in den Regalen befinden sich keine echten Bücher, nur Attrappen wie in Möbelhäusern - als Ersatzdroge sozusagen. Die Buchjunkies, äh Patienten werden hier langsam dazu herangeführt, mit einem immer kleineren Regal zurechtzukommen. Erst wenn das geschafft ist, geben wir ihnen wieder echte Bücher. In Kürze werden wir gleich nebenan einen neues Zentrum für Zeitschriften-DVD-Geschädigte und ambulante Opfer von Demo-Versionen eröffnen. Ja, man muss mit der Zeit gehen, um den Durchgeknallten, äh Patienten die bestmögliche Pflege angedeihen zu lassen.
Ich hoffe, Sie haben einen guten Eindruck gewinnen können, wie wir hier die vielfältigen Ausprägungen des Tauschwahns zu heilen versuchen. Ich bringe Sie noch rasch zum Ausgang und muss ich mich leider schon verabschieden. Nein, nein, kein Notfall. Ich habe gleich Pause und da will ich schnell noch ein paar Bücher einstellen! Wissen Sie, die Tauschbörse wurde heute in der Bildzeitung erwähnt. Das Ausplündern der zu erwartenden Neulinge kann ich mir doch nicht entgehen lassen. Außerdem müssen wir dringend ein paar freie Zellen, äh Zimmer, sie verstehen schon, herrichten!"
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"Halten sie mich für verrückt, halten sie mich für übergeschnappt, ich glaube, auch Fußball-Laien sollten ein Herz haben, sollten sich an der Begeisterung unserer Mannschaft und an unserer eigenen Begeisterung mitfreuen!"
Ach ja? 1954 mag das für Sportreporter Herbert Zimmermann angesichts des "Wunders von Bern" noch ein guter Grund gewesen sein, als paranoid gelten zu dürfen. Heutzutage wird man eher für verrückt gehalten, wenn man sich der kickenden Massenhysterie verweigert. Selbst wenn man sich viel Mühe gibt, einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen, wenn mal wieder 22 Deppen hinter einem Ball herlaufen, bleibt man von der globalen Pandemie Weltmeisterschaft nicht verschont.
Sogar Menschen, die ich bisher für geistig normal gehalten habe, verloren die Kontrolle über ihr Leben und verbrachten Wochen damit, eine einzige Eintrittskarte für Trinidad gegen Tobago zu ergattern. Dass sich das dafür vorgesehene Stadion in einer wenigstens 2 Tagesreisen entfernten Stadt befindet, deren Hotels zu diesem Zeitpunkt bereits völlig belegt sind, nehmen die vom WM-Fieber Befallenen schon gar nicht mehr wahr.
Nur Stunden vor einem der vielen entscheidenden Schicksalsspiele beschließt der Deutsche Bundestag einen nicht-verfassungskonformen Haushalt. Kritik, Empörung, Opposition? Nichts da, wir sind alle infiziert, schauen in die Röhre und zittern als ginge es um das eigene Leben. König Fußball inszeniert derweilen live eine moderne Variante des Kultklassikers "Invasion der Körperfresser" und alle schauen jubelnd zu. "Die Welt zu Gast bei Freunden" erscheint da in einem völlig neuen Licht.
Obwohl ich meiner Umwelt regelmäßig und in aller Deutlichkeit signalisiere, dass ich mich für Fußball gerade so viel interessiere wie Radfahrer für Benzinpreise, gibt es kaum jemanden, der nicht mit mir das Spiel vom Vortag oder die Mannschaftsaufstellung diskutieren möchte. Denn keine andere Sportart hat bisher so viele, zu Recht ungefragte, Experten hervorgebracht, aus denen anlässlich einer Weltmeisterschaft die Weisheiten nur so hervorsprudeln.
Ob die Trainerfindungskommission damals auch wirklich den Richtigen gefunden hat - für den Job, den keiner haben wollte - außer Lothar Matthäus? Ob Kleinstaaten aus der dritten Welt nicht doch völlig unterschätzt werden und gerade deshalb zum Stolperstein werden können? Sind Grönland, Nepal und Andorra nicht immer schon Angstgegner unserer Helden gewesen? Und außerdem hängt jetzt alles an Ballacks diversen vor sich hin kränkelnden Körperteilen. Hätte er sich doch bloß präventiv eine Deutschlandflagge drauf tätowieren lassen! Sein Ohrläppchen soll allerdings für die nächste Begegnung absolut fit sein.
Um all dem zu entgehen, verbringe ich die Spielzeiten unserer Nationalmannschaft gerne mit einem Waldspaziergang oder in der Sauna. Aber auch dort findet man weder Entspannung noch Ruhe. Während man fleißig vor sich hin schwitzt, bringt jeder, der zur Tür reinkommt, den neuesten Spielstand mit und verkündet lauthals: "1:0 durch Klose in der 4. Minute". Hätte ich das unbedingt sofort wissen wollen, wäre ich wohl nicht in die Sauna gegangen. Vor der Sauna steht eine Schiefertafel für aktuelle Hinweise. Heute steht darauf: "1:0 Klose!"
Ich nehme mir ein Stück Kreide und stürze die anderen Saunabesucher zur Halbzeit in eine wenig entspannsame Krise:
1:1 Klinsmann
1.2 Maradona
1:3 Michael Jordan
Bin ich aber doch zuhause, bedauere ich sogleich, dass die Weltmeisterschaft nicht im tiefsten Winter stattfindet. Dann würden die Fußballfanatiker ihre Fenster geschlossen halten und mich mit ihrem Gebrüll verschonen. Das laute Aufstöhnen, wenn wieder keiner das Tor treffen wollte, obwohl diesen Ball meine schwangere, blinde Oma noch mit Links im Rückwärtsfallen von der Reservebank mit schlafwandlerischer Sicherheit verwandelt hätte. Der heisere Aufschrei, gefolgt von der atemlosen Stille, die jeden gegnerischen Elfmeter, der natürlich absolut unberechtigt gegeben wurde, begleitet. Der grenzenlose Jubel, falls das Tor dann doch endlich fällt.
Zuerst jubelt der Straßenzug rechts, alles Öffentlicher Dienst mit Kabelanschluss, dann links gegenüber die Studenten, zeitverzögert wegen preiswerterem Digitalfernsehen und schließlich vor uns die Einfamilienhäuser als letzte, weil der exklusive Satellitenempfang am längsten braucht. Von dort kommen auch regelmäßig die heiseren "Deutschland, Deutschland"-Rufe.
Das ist unser Nazi-Nachbar. An Führers Geburtstag hisst er gerne mal die Südstaaten-Flagge, die einzig legale Art öffentlich für die Sklaverei einzutreten. Dafür hat er sich extra einen Flaggenmast setzen lassen. Da weht jetzt natürlich das Banner der Nation. Ganze Straßenzüge sind mit Deutschlandfahnen dekoriert. Selbst gute deutsche Demokraten haben es sich nicht nehmen lassen, Fahrzeuge aller Art mit Standarten und kleinen Flaggen zu verzieren. Angesichts dieses geballten Nationalstolzes muss es wohl eher "die Welt zu Gast bei Fremden" heißen.
Bei soviel Nationaldünkel kommen dunkle Erinnerungen an den hässlichen Deutschen wieder hoch. Aber auch ohne übertrieben nationale Gesinnung scheint der deutsche Sportler nur Spaß am Sieg zu haben, aber keinen am Sport selbst. Ehemals den Deutschen zugeschriebenen Tugenden wie Ehrlichkeit, Korrektheit oder Fair Play bleiben auf der Strecke. Selbst im Ausland beliebte Vorzeigesportler zeigen ihre dunkle Seite, wenn sie verlieren.
Michael Schumacher bleibt schon mal wie zufällig als lebende Schikane in der letzten Kurve stehen, anstatt ehrenvoll Zweiter zu werden. Jens Lehmann spielt bei Arsenal die Saison seines Lebens und beendet sie mit einem groben unsportlichen Foul, um vergeblich seinen Rekord zu retten. Dirk Novitzky zeigt allen Amerikanern wie man in der NBA richtig Basketball spielt und randaliert, wenn der entscheidende Wurf einmal daneben geht. Man kann auch trotz Unsportlichkeit verlieren.
Warum genügt es nicht, mit klassischen deutschen Tugenden wie Anstand und Ehre einfach nur zu den Besten zugehören? Warum müssen wir unbedingt gewinnen? Aber international gesehen sind wir da vielleicht auch in bester Gesellschaft. Bei der Tour de France dürfen anscheinend nur noch die Radprofis mitfahren, die nicht genug Geld fürs Doping hatten.
Derweilen kann ich nur hoffen, dass die Deutsche Nationalelf möglichst bald bei der Weltmeisterschaft ausscheidet. Das wäre für die deutschen Tugenden am Besten, all zu viele Ausländer würden dann vielleicht auch nicht verprügelt und wir könnten uns wenigstens daran erinnern, dass sie bisher gut gespielt haben.
Sollten die Deutschen aber das Finale erreichen und auch noch gewinnen, dann schwant mir Böses. Was wird mir dann aus der Kneipe um die Ecke entgegendröhnen, aus der schon nach dem Achtelfinale "Sieg, Heil" zu hören war? Dann wäre der hässliche Deutsche auch noch dumm und die Besucher der WM nur noch "zu Gast bei Weltfremden".
Angesichts dessen könnte man die Arme dem Himmel entgegenrecken und flehentlich "Herr, lass Hirn regnen!" rufen. Hätte der Herr ein Einsehen und würde wirklich Hirn auf die Erde hernieder rieseln lassen, würden die meisten Bedürftigen wahrscheinlich darauf ausrutschen.
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Wer dennoch mehr Spaß am Spiel haben will, kann sich die Weltmeisterschaft mit Bullshit Bingo, Themengebiet Fußballkommentatoren versüßen:
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Vom Eise befreit sind Froster und Kühlung
durch des Frühjahrputzes Gewalt,
und dennoch fühlt man sich alt;
durch der Frühjahrmüdigkeit Schwächung,
findet man keinerlei Halt.
So schwindet die Kraft, fliehend, nur
ohnmächtig scheuernd trotz Fleißes
bleiben Putzstreifen im Flur.
Auch die Sonne findet nichts Bleiches,
an der Fenster Scheiben und Streben,
alle Flecken will sie beleben;
doch an Seife fehlt's im Revier,
sie nimmt putzende Menschen dafür.
Kehre um, oder beizeiten den Hof,
jetzt aufzuhören ist doof!
Aus der Mülltonne finsterem Tor
dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Keiner putzt die so gerne,
wo Würmer feiern die Wärme.
Aus Überfluss sind sie erstanden,
in niedrigen Häuser und dumpfen Gemächern,
in Handwerks- und Gewerbesbanden,
stapelt sich Abfall unter Giebeln und Dächern,
aus den Garagen quetschender Enge,
aus dunklen Kellern ehrwürdiger Nacht
wird der Müll ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
durch Gärten und Felder bewegt,
und wirft weg in Breit und Länge
bis es die Natur endlich zerlegt,
und, bis zum Stinken überladen,
zieht der Müll seine Bahn.
Selbst in des Waldes fernen Pfaden
blinkt uns der farbige Abfall an.
Ich hör schon in der Ferne Getümmel,
hier ist des Volkes wahrer Himmel,
zufrieden entsorgt hier groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier bin ich Schwein!
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Nach dem Umzug dauerte es eine Weile bis ich den richtigen Karton mit Büchern fand, schließlich stand auf fast jedem Umzugskarton "Bücher" drauf. Ich suchte aber genau die Bücher, die ich in der Buchtauschbörse vertauschen wollte. Als ich sie endlich gefunden und zum Tausch bereitgestellt hatten, war die ganze Mühe umsonst. Geschlagene drei Monate forderte niemand bei mir ein Buch an! Das soll jetzt kein Vorwurf sein, Ihr treulosen Tomaten, doch eigentlich schon!
Da die Beschimpfung der Kundschaft generell als wenig Erfolg versprechendes Rezept gilt, stellte ich ein paar lausige aber durchaus begehrte Bestseller ein, die ich mittlerweile gelesen hatte und siehe da, schon wurde fleißig getauscht und schon hatte ich das nächste Problem. Der Tausch an sich macht zwar kurzfristig zufrieden, führt aber erst zur Glückseligkeit nach erfolgreichem Versand. Und wo waren noch gleich die zum Versand nötigen Utensilien?
Durch den Umzug war noch nicht alles wieder in seinem gewohnten Platz oder der gewohnte Platz war jetzt an anderer Stelle oder es stand da noch irgendein ungeleerter Umzugskarton irgendwo im Keller, von dem ich aber irgendwie wusste, dass der gesuchte Gegenstand darin sein musste, weil er sonst nicht zu finden war. Oder war das der in der Garage?
Meine Digitalwaage fand ich schnell nur um ebenfalls herauszufinden, dass deren Akku leer war. Das Ladegerät hatte ich anscheinend verladen und eine passende Batterie war nur unter wütenden Protesten des restlichen familiären Personals aus der Personenwaage im Badezimmer zu bekommen. Ist ja auch ein blöder Zeitpunkt für eine Diät.
Leider fand ich die sorgsam gehüteten Luftpolsterumschläge auch nicht. Nur eine paar alte, die ich mühsam der Wiederverwertung zuführte, in dem ich mindestens 17 Schichten von Adressaufklebern abtrug. Nicht völlig unerwartet stieß ich in der 5. Schicht auf meine eigene Adresse. Aus Gründen der gebotenen Zweckmäßigkeit ging dieses wertvolle Artefakt der modernen Luftpolsterumschlagarchäologie unwiederbringlich verloren.
Noch größere Schande brachte ich allerdings über mich, weil eine meine 1000 Stück Anstaltspackung mit Flachkopfmusterbeutelklammern ebenfalls nicht finden konnte. Ich als vehementester Gegner der Rundkopfmusterbeutelklammer und deren ständiger missbräuchlicher Verwendung beim mangelhaften Verschluss insbesondere gebrauchter Luftpolsterumschläge, sah mich nun schmachvoll genötigt, den wertvollen Inhalt meiner Umschläge mit schnöden Rundkopfmusterbeutelklammer vor den Einflüssen der rauen Natur und möglicherweise noch raueren Postbotenhänden zu schützen.
Schlimmer hätte es nicht mehr kommen können. Es kam schlimmer. Der Drucker hatte kein Papier mehr. Sicherlich hätte ich die Umschläge auch mit der Hand beschriften können. Meine Handschrift ist jedoch nicht besonders leserlich. Würde ich in einer Bank einen handgeschriebenen Zettel beim Kassierer vorlegen, auf dem stünde: "ich kann nicht sprechen, habe gerade einen Weisheitszahn gezogen bekommen, ich möchte gerne 500 Euro abheben", würde vermutlich sofort Alarm ausgelöst und eine Hundertschaft das Geldinstitut stürmen. Der zur Klärung des bedauerlichen Missverständnisses herbeigerufene Filialleiter würde mich angesichts des Zettels sofort mit "Herr Doktor" ansprechen.
Bevor ich per Hand eine Adresse in Berlin schreibe, der Umschlag aber unweigerlich in Ouagadougou landet, besorgte ich lieber Papier - sonntags. Meine Gattin konnte zum Glück einige einseitig bedruckte Seiten aus ihrer Diplomarbeit entbehren, sie weiß es bloß noch nicht.
Völlig überflüssig zu erwähnen, dass der Klebestift eingetrocknet war. Mit einem Taschenmesser kratzte ich die letzten noch klebenden Reste heraus, um damit die Adresszettel auf die Umschläge zu kleben. Beim Abkleben der Papierkanten mit Tesafilm drohte weiteres Ungemach: die Rolle ging zu Ende. Ich machte mit Paketband weiter bis das zur Neige ging, dann mit Uhu, Patex, Briefmarken, Eigelb, doppelseitigem Klebeband, Honig, Holzleim, Sekundenkleber ...
Ich musste wohl deutlich zu viel Klebstoffreste geschnüffelt haben, was meine Reaktionszeiten merklich verringerte, als ich versuchte die ebenfalls eingetrocknete Tube Sekundenkleber aufzuschneiden. Plötzlich und unerwartet war der Zeigefinger meiner rechten Hand mit dem Daumen fest verbunden. Bei dem Versuch mittels meines Mobiltelefons Hilfe herbeizurufen, verteilte ich den restlichen Sekundenkleber auf dem Gerät. Leider hatte ich auch eine falsche Nummer eingetippt, so dass mir nichts anderes übrig blieb, als mein Problem mit dem mir völlig unbekannten Süleyman Özgül zu diskutieren, weil das Handy an meinem Ohr festklebte.
Glücklicherweise kehrte meine Gattin in diesem Moment vom Spaziergang mit dem Nachwuchs zurück. Bevor ich meine missliche Lage schildern konnte, erfuhr ich statt der erwarteten Hilfe nur Missbilligung: "Kriegst du das Handy denn gar nicht mehr vom Ohr?"
Falls jemand dringend auf sein Buch wartet, kann er mich gerne auf meiner neuen Freisprecheinrichtung anrufen, ich lese es dann vor.
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Ich kann nicht länger an mich halten. Es muss einfach mal gesagt werden. Die traurige aber unbequeme Wahrheit ist doch, dass die meisten in Buchtauschbörsen gar keine Tickets horten, wie fälschlicherweise immer angenommen und ebenso wiederholt wie sinnlos angeprangert wird.
Ja, angeprangert! Vom Leben wenig begünstigte Neider, die immer noch glauben, die Gesellschaft schulde Ihnen etwas, weil andere mehr haben als sie, geben erfolgreichen Buchtauschern die Schuld für ihre eigene Ticketlosigkeit. Dabei verkennen sie in ihrer Einfalt die wirklichen und einzigen Tatsachen: Nicht Tickets werden gehortet, sondern in erster Linie Bücher!
Viele, die sich hier leutselig unter die Tauschpartner mischen, haben in Wahrheit nicht ein einziges Ticket zuhause, dafür halten sie oft Hunderte von Büchern unter Bedingungen, die eines wahrhaftigen Literaten absolut unwürdig sind. Diese Bücher, deren Zahl keiner kennt, deren Titel niemand nennt, werden auf infame, brutale, sinnlose, egoistische, politisch inkorrekte, gemeine, sehr gemeine, mir gehen die negativen Adjektive aus, jedenfalls Weise der Öffentlichkeit vorenthalten.
Und? Erhebt denn nur einer seine Stimme dagegen (außer mir natürlich)? Geht ein Aufschrei durchs Volk? Ruft jemand seinen Abgeordneten an und verlangte eine Sondersitzung des Bundestages? Schreiten die EU-Kommission, das Bundes-ich-bin-in-schlechter-Verfassungsgericht, der Rechnungshof, der Bund der Steuerhinterzieher, die Grauen Panther, die gelben Hauskatzen, das Fähnlein Fieselschweif etwa ein? Ist die Bildzeitung, na die vielleicht nicht, die versteht ja gar nicht was ein Buch ist, also besser, die Presse informiert?
Nein! Weit und breit nichts als Vergessen, Ignoranz und Annalpha, Analfabett, Analdingens, also dieses latrinische Wort für Leute, die Bücher mit dem Arsch nicht angucken. Wenn irgendwo ruchbar wird, dass jemand, vielleicht sogar heimlich, Bücher liest, wird weggeschaut und bestenfalls hinter vorgehaltenem Rücken getuschelt.
Denn unsere Gesellschaft besteht nur noch aus Glotzeguckern, Playstationjüngern und Mobilmasturbatoren. Lesen ist anscheinend einer kleinen, radikalen, elitären, kapitalistischen, unsozialen, blödere Adjektive fallen mir jetzt auch nicht ein, jedenfalls Minderheit vorbehalten, nämlich eben denen, die Bücher horten und damit der restlichen Gesellschaft Unterhaltung und vor allem Bildung vorenthalten.
Dialoge, wie die folgenden, sind doch an der Tagesthemenordnung:
"Hallo, Herr Nachbar! Könnet Sie mir vielleicht so a Buch leihe?"
"Nä, dat hannisch dem Unnermieder jejebbe!"
"Oh schad, isch hätt och mal gern eins gehabt!"
"Frare se doch nächst Jor nochemol noch!"
"Guten Tag, haben Sie gestern Harald Schmidt gesehen?"
"Nein! Ich habe ein Buch ..."
"Doch nicht etwa gelesen?"
"Nein, wo denken Sie hin! Der Fernseher hat gewackelt und da wollte ich das Buch drunter schieben und dabei habe ich mir den Rücken so dermaßen verknackst, da konnte ich vor Schmerzen die Sendung gar nicht sehen!"
"Das trifft sich ja gut, dann kann ich Ihnen ja schnell den Gag erzählen!"
"Was soll ich damit?"
"In Leder gebunden, sieht toll aus im Regal!"
"Hm, was soll's denn kosten?"
"5 Euro, 6 wenn ich Ihnen zusätzlich den Inhalt erzähle, damit Sie auch behaupten können, sie hätten es gelesen!"
"Guckst du, habisch SMS geschickt!"
"Voll fett krass! Was hastu geschrieben?"
"Woher sollisch wissen? Kannisch lesen?"
"Erzählen Sie weiter!"
"Ich glaube ich bin pervers!"
"Das ist nicht ungewöhnlich. Viele meiner Patienten empfinden so."
"Was sollen denn die Leute denken?"
"Was glauben Sie, was die Leute denken?"
"Dass ich völlig pervers bin!"
"Erzählen Sie mir von Ihrem Verhältnis zu Ihrer Mutter!"
"Nicht weinen, Heinz-Karl-Rüdiger! Ist doch nicht so schlimm, dass Onkel Erwin dir Spiderman als Comic geschenkt hat. Schau doch mal, ist auch mit ganz vielen Bildern. Und morgen kaufe ich dir die DVD!"
Das Schweigen muss endlich gebrochen werden. Viele rasen nur deshalb auf der Autobahn, weil sie die Verkehrsschilder sowieso nicht lesen können! Bildung tut Not! Lassen Sie es nicht Ihre Schuld sein, wenn die Pizza-Studie von keinem mehr verstanden wird. Taten statt Downloads!
Menschen, die mehr als ein Buch haben, sollen ihre Mitmenschen jetzt daran teilhaben lassen. Verleihen, tauschen, spenden oder verschenken Sie Ihre Bücher. Tippen Sie Hörbücher ab! Übersetzen Sie Harry Potter ins Hessische! Trennen Sie sich von Literatur, die nur nutzlos im Regal verstaubt! Stürmen Sie die Bibliotheken und verteilen Sie die Bücher an die Armen, damit diese wenigstens was zum Versteigern im Internet haben! Konsalik für alle!
Beenden Sie jetzt Ihr gesellschaftliches Außenseitertum und lassen Sie die Massen an Ihrem literarischen Reichtum teilhaben bevor es zu spät ist. Laden Sie Ihren Briefträger ein, Ihre Bücher zu lesen, dann muss er nicht aus purer Not Ihre Büchersendungen öffnen! Es gibt viel zu tun! Packen wir's ein!
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In legalen Tauschbörsen im Internet wird nichts raubkopiertes heruntergeladen, sondern reale, originale Ware vertauscht. Meist sind diese Bücher, CDs und DVDs gebraucht, weshalb dem Anbieter angeraten wird, die Waren möglich präzise zu beschreiben und beim Versand sorgfältig zu verpacken, damit durch überzogene Erwartungshaltung der Tauschpartner nicht enttäuscht wird und dieser den Tauschvorgang als solchen schlecht bewertet.
Ist der Empfänger aber dennoch der Meinung, Beschreibung und Realität passen so gut zusammen wie der Friedensnobelpreis und der Irak-Krieg, wird schon mal das ein oder andere unschöne Wort in die Bewertung geschrieben und nicht die volle Punktzahl gegeben.
Gerade, wenn man erwartungsfroh den als in Bestzustand befindlich angepriesenen, teueren Bestseller auspackt, jedoch ein kaum mehr als Buch erkennbares Bündel geschredderten Altpapiers vorfindet, vergreift sich so Mancher in der verständlichen Aufregung in der Wortwahl und bezeichnet den Versender schon mal als ungehobelten Halsabschneider oder dergleichen.
Auch wenn man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit annehmen kann, dass nur die wenigstens Halsabschneider gehobelt sind, sind derartig ehrabschneidende Bezeichnungen dem Tauschfrieden eher unzuträglich und sollten tunlichst vermieden werden. Schließlich fordert eine solche Vorgehensweise eine ebensolche verbale Entgleisung bei der Gegenbewertung seitens des Versenders geradezu heraus.
Damit in den Bewertungen und Gegenbewertungen nun nicht unnötige viele Halsabschneider, gehobelt, gefräst oder nicht, bemüht werden, können folgende Beispieltexte im Falle von grundlegenden Meinungsverschiedenheiten zur Versachlichung der sinnlosen Diskussion beitragen und dem ohnehin unaufhaltsamen Verfall der guten Sitten durch sprachliche Verrohung zumindest vorbeugen.
Problem: Nichtgefallen der Ware
Bewertung: "Nä, war das ein blöder Film!"
Besserer Text: "Der Anbieter hat es ohne Not unterlassen zu erwähnen, dass die Filmschaffenden in diesem Werk nicht das gemeinhin gewohnte gute Niveau der Branche erreichen und deshalb in der Gänze hinter den durchaus berechtigten Erwartungen zurückbleiben!"
Angemessene Gegenbewertung: "Leider hat der Tauschpartner in all seiner Güte übersehen, dass nicht der Inhalt des angebotenen Artikels, sondern der Zustand und der Versand bewertet werden sollen. Inhaltliche Beschwerden bitte an Herstellerfirma, den Regisseur und die Bundesregierung!"
Bewertung: "Das hat ganz schön lange gedauert!"
"Ganz schön lange" ist ein sehr wager Zeitbegriff. Das Universum dauert mit etwa 13 Milliarden Jahren auch ganz schön lange, während Bewohner eines brennenden Wolkenkratzers auch erheblich kürze Zeiträume derart bezeichnen würden. Etwas mehr Präzision in Ausdrucksweise und Details ist hier durchaus angebracht.
Besserer Text: "Der Poststempel auf dem Umschlag lässt erahnen, dass der Versender anderen Dingen als dem so genannten postwendenden Versand deutlich höhere Prioritäten einräumte. Die nachgeordnete Zustellung durch die Post erfolgte vermutlich durch alterschwache Büchersendungstauben (Brieftauben befördern bekanntermaßen keine Büchersendungen)."
Angemessene Gegenbewertung: "Ich war krank, es gab ein Erdbeben, die Post hat gestreikt, da war eine Überschwemmung, ich hatte eine dringende Verabredung mit meinem Fernseher, meine Briefmarken klebten nicht mehr, die Flachkopfmusterbeutelklammern fingen an zu rosten, mein Luftpolsterumschlag hatte einen Platten oder es gab einen anderen, irgendwie ungeheuer wichtigen Grund!"
Problem: Unzureichende Verpackung
Bewertung: "Zerrissener Umschlag! Das war Glück, dass der Inhalt das überlebt hat!"
Inhalt überlebt üblicherweise nicht, Inhalt überlebt sich bestenfalls. Das kann man am aktuellen Fernsehprogramm sehr gut feststellen.
Besserer Text: "Die Verpackung war leider so unzureichend, dass allen beteiligten Bediensteten der befördernden Post freier Zugang zum Inhalt des Umschlages gewährt und jenen somit ein Zugang zur kostenlosen Weiterbildung angeboten wurde."
Angemessene Gegenbewertung: "Selbstlos, wie ich nun mal bin, liegt mir nichts näher als möglichst unaufwendig das geistige Niveau der Postbediensteten zu heben."
Problem: Falsche Beschreibung des Artikels
Bewertung: "Betruch! Dat war ja ne janz andere Ausgabe!"
Besserer Text: "Es handelt sich bei dem verschickten Exemplar nicht wie beschrieben um die Ausgabe von 1876 mit dem berühmten Schreibfehler auf Seite 75, welches bei einer Auktion bei Sotheby's unlängst 100.000 Euro erbracht hat, sondern um die Buchclubversion von 2005."
Angemessene Gegenbewertung: "Hm, muss ich wohl die falsche ISBN erwischt haben!"
Problem: CD als Büchersendung verschickt
Bewertung: "Wohl merkbefreit! 1,11 Euro Strafporto sind zu viel, du Sparschwein!"
Die Vermutung liegt nahe, dass auch eine geringer ausfallende Portonachzahlung den gandenlosen Unwillen des Empfängers provoziert hätte. Dies rechtfertigt jedoch nicht, den elenden Geiz-ist-geil-Anhänger, der zu Lasten des Empfängers an Porto spart, mit der Spezies sparsamer Schweine gleichzusetzen. Die armen Schweine!
Besserer Text: "Büchersendungen werden von der Post freundlicherweise zu einem vermindertem Tarif befördert, damit auf diese Weise Bildung durch Fachbücher und Literatur auch den Minderbetuchten nicht vorenthalten wird. Dieses Entgegenkommen seitens der Post sollte man nicht ohne Not dadurch missbrauchen, indem man Filme oder musikalische Darbietungen fälschlicherweise als Buch deklariert werden und sich der Versender damit einen unberechtigten Vorteil bei den Versandkosten erschleicht und ohne Rücksicht auf den Empfänger riskiert, dass dieser durch Postbedienstete dazu genötigt wird, entsprechende Sanktionen (wie Anstellen am Schalter) zu ertragen!"
Angemessene Gegenbewertung: "Sorry, tut mir ja so leid, war echt voll das Versehen, hab die falsche Briefmarke erwischt, wird nie wieder vorkommen, außer beim nächsten Mal vielleicht!"
Problem: Zustand schlechter als beschrieben
Bewertung: "Für so einen Schrott ist selbst das Porto zu schade!"
Besserer Text: "Für so einen Schrott ist selbst das Porto zu schade!"
Angemessene Gegenbewertung: "Idiot!"
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1. Was immer Sie gebucht haben, gibt es so nicht.
2. Einen Tag nach der Buchung wird die Reise billiger.
3. Ihr Flug/Schiff/Zug hat immer Verspätung.
Ausnahme: wenn Sie Verspätung haben, dann ist es der Anschluss-Flug/Schiff/Zug pünktlich.
4. Einen Tag vor Reisebeginn werden Sie sich krank fühlen. Sagen Sie die Reise ab, wird es besser, fahren Sie, wird es schlimmer.
5. Ihr Gepäck ist immer das Letzte.
Ausnahme 1: Wenn Ihr Gepäck zuerst zum Vorschein kommt, ist es nicht Ihr Gepäck. Das finden Sie aber erst Stunden später heraus, wenn Sie es öffnen wollen (Alle Namensschilder und Aufkleber, die Ihren einmaligen schwarzen Samsonite-Koffer unverwechselbar gemacht haben, wurden versehentlich abgerissen und an einem anderen Koffer befestigt.)
Ausnahme 2: Wenn Ihr Gepäck zuerst zum Vorschein kommt und es ist tatsächlich Ihr Gepäck, wird es aussehen, als sei ein indischer Elefant darauf herumgetrampelt.
Ausnahme 3: Wenn Ihr Gepäck überhaupt nicht zum Vorschein kommt, ist es auf dem Weg nach Indien, um dort zertrampelt zu werden (siehe oben).
Ausnahme 4: Wenn Ihr Gepäck überhaupt nicht zum Vorschein kommt, nicht einmal in Indien, wurde es aus Sicherheitsgründen vorsorglich in die Luft gesprengt.
6. Beim Packen Ihrer Koffer vergessen Sie immer etwas Wesentliches. Falls Sie penibel eine Packliste erstellt haben, wird das Allerwichtigste darauf fehlen. Falls Sie tatsächlich nichts vergessen haben, werden Ihre Koffer nach Indien geschickt oder gesprengt (siehe oben).
7. Genau die Tasche, die vom höchsten Punkt des Gepäckwagens oder ins Hafenbecken oder genau vor einen indischen Elefanten (siehe oben) fällt, wird Ihre Kameratasche sein. Warum kann man Sicherheitsschuhe kaufen, die mehrere Tonnen aushalten können, wohingegen Kamerataschen aus Zuckerwatte hergestellt werden?
8. In oder an Ihrem Hotel finden immer Bauarbeiten statt. Hotels sind entweder noch nicht ganz fertig, werden gerade renoviert oder es werden noch ein paar Gebäude/Villen/Zimmer dazwischen gequetscht.
9. Ihr Zimmer ist bei Ihrer Ankunft nicht bezugsfertig
Ausnahme: Ihr Zimmer … (bitte alle ankreuzen)
( ) ist nicht die gebuchte Kategorie.
( ) ist die gebuchte Kategorie, aber Sie mögen es nicht.
( ) ist zu laut.
( ) hat Meerblick, aber nur von der Toilette.
( ) wird noch gebaut (siehe oben).
10. Ihr Hotel ist überbucht. Alle Gäste werden ohne Mehrkosten in das All-Inclusive 5-Sterne Casino Golf Spa and Beach Resort umgebucht, außer Ihnen (3 Sterne, Fenster zum Hof, bed and breakfast, mitten in der Einflugschneise).
11. Alle Gratis-Beigaben werden Ihnen in Rechnung gestellt.
12. All inclusive bedeutet niemals, dass alles inbegriffen ist.
Ausnahme: Sie mögen es nicht - dann ist es garantiert umsonst.
13. Ihr Nachbar, ja genau der, mit dem Sie nur noch mittels eines Anwalts kommunizieren, wohnt im Hotelzimmer nebenan - auch oder gerade am abgeschiedensten Ort auf diesem Planeten.
14. Ihr Lieblingsbier gibt es hier frisch vom Fass, außer in dieser Woche.
15. Der Ausflug, den Sie gebucht haben, wird wegen zu geringer Teilnahme abgesagt. Die Tour, die Sie stattdessen buchen, wird überfüllt sein.
16. Die Bilder im Katalog sehen immer besser aus als die Realität.
17. Ihr Lieblingssport wird leider wegen Wartungsarbeiten nicht angeboten.
18. Alle besonderen Attraktionen sind geschlossen, bis nach dem Tag Ihrer Abreise.
19. Schlechtes Wetter bleibt Ihnen immer erhalten, gutes Wetter entkommt.
20. An Tage mit Schiffs- oder Boottransfer ist das Wetter besonders schlecht.
21. Es ist immer Ihr Koffer - obwohl nicht einmal der größte - der gerade nicht mehr in das kleine Flugzeug passt. Er wird mit dem nächsten kleinen Flugzeug geschickt - wenigstens drei Tage später (kleiner Umweg über Indien - siehe oben).
22. Falls Sie den lokalen Dialekt nicht sprechen, wird es auch sonst niemand tun.
23. Jeder in Ihrer Umgebung wird jedes einzelne Wort verstehen, außer Ihr Kellner.
24. So genannte "Sichere Strände" sind immer sicher für Seegraß, Quallen und Seeigel.
25. Wenn Sie leichte Kleidung eingepackt haben wird es kalt sein. Bei warmer Kleidung wird es heiß sein. Bringen Sie Kleidung für beide Wetterlagen mit, wird es regnen.
26. Der Regen hört immer am Tag Ihrer Abreise auf (nach dem Transport mit dem Flugzeug/Schiff - siehe oben)
27. In dem aufregendsten/besonderen/romantischen/unvergesslichen Momenten Ihrer Reise wird Ihre Kamera keinen Film/Batterie/Speicher mehr haben oder ganz einfach den Geist aufgeben.
28. Wenn Sie etwas schönes/besonderes/seltenes/unvergessliches sehen - tun Sie nichts. In dem Augenblick, in dem Sie Ihre Kamera holen wollen ist es verschwunden.
29. Sie erhalten jede Nacht einen Weckanruf - der für jemand anderen bestimmt ist - außer in der Nacht, in der Sie wegen der Abreise früh aufstehen müssen. Das ist genau die Nacht, in der Ihr Wecker stehen bleibt.
30. Am Buffet entdecken Sie Ihr Lieblingsgericht immer dann, wenn Sie sich gerade den Teller vollgeladen haben. Wenn später noch einmal danach schauen, ist nichts mehr davon da.
31. Am Buffet wird alles ständig nachgefüllt, außer der einen Sache auf die Sie warten.
32. Der Fang des Tages ist immer der Fang des vorangegangenen Tages.
33. Was immer Sie am Buffet nicht essen wollen, gibt es am nächsten Tag á la carte.
34. Waagen in Hotels zeigen immer 5 bis 10% weniger ab. Danke!
35. Die Durchschnittstemperatur in Wellness- und Fitnesscentern ist immer unter dem Gefrierpunkt - außer in Sibirien.
36. Touristen in 4-Sterne-Hotels haben die besten Manieren. Mit jedem Stern mehr oder weniger wird es schlimmer.
37. Jeder Stern verdoppelt die Preise auf der Weinkarte.
38. Mit jedem weiteren Stern nimmt die Zahl der Kameras ab. VIPs haben keine Kameras.
39. In einem 3-Sterne-Hotel hat jeder eine Kamera.
40. Taucher rauchen.
41. Haie sind eine vom Aussterben bedrohte Tierart, Touristen nicht.
42. Es werden mehr Menschen von herabfallenden Kokosnüssen getötet als durch Haiattacken. Dennoch haben Kokosnüsse einen erheblich besseren Ruf als Haie.
43. Wenn Sie wissen wollen, ob Ihre neue Beziehung eine Zukunft hat, fahren Sie gemeinsam in Urlaub.
44. Früher oder später denken Sie an Zuhause.
45. Sie sind eher daheim als Ihre Postkarten.
46. Schreiben Sie nicht zuviel Text auf Ihre Postkarten - es liest sowieso keiner. Hauptsache das Bild ist toll.
47. Einige Postkarten werden nie ankommen. Keiner wird Ihnen glauben, dass Sie welche geschickt haben.
48. Falls Ihr Urlaub toll war, werden alle Sie hassen. Behalten Sie es für sich!
49. Nur Rucksacktouristen kaufen und lesen Reiseführer. Touristen in Luxushotels können sich die Anschaffungskosten oft nicht erlauben und bleiben ungebildet.
50. Zuhören, Lesen und Lernen tut nicht weh, nicht einmal Touristen!
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Das Tauschticket-Forum (als Ganzes) ist so wunderbar niveaulos geworden, oder es war schon immer so niveauvoll wie der Server stabil läuft, nur ist es mir früher nicht aufgefallen.
Mag sein, dass es sich in erster Linie um eine Tauschplattform und nicht um eine Leseplattform handelt und deshalb notgedrungen Themen vorherrschen, die von der Beschaffung (oder eben nicht) von Büchern handelt:
- Bäh, ich krieg mein Buch nicht!
- Kann ich für jedes Eselsohr einen Stern abziehen?
- Warum dauert das so lange?
- Was soll ich tun, wenn ich nicht weiß, was ich tun soll?
- Die Post ist an allem Schuld!
- Alles Betrüger!
- Ihr seid schuld, dass keiner mit mir tauscht!
- Anstatt des versprochenen Comics habe ich eine Gutenberg-Bibel bekommen!
- Skandal! 5 Tickets für ...!
- Ich will was wissen, bin aber zu faul zum Lesen!
- Alle pissen in meine Förmchen!
- Mir ist langweilig!
Beiträge, die sich mit dem Inhalt von Literatur befassen, gehen im Forum ebenso schnell unter wie eine Playstation im Freibad. Alles dreht sich um "wie kann ich möglichst billig viel kriegen!" Wenn es nach den gewählten Themen geht, scheint die Beschaffung weit wichtiger zu sein, als das Lesen.
Jetzt muss man Foren generell zu Gute halten, dass sie inhaltlich ebenso belanglos sind, wie die meisten beiläufig geführten Gespräche. Das liegt im Wesen der menschlichen Kommunikation. 98 Prozent des E-Mail-Verkehrs sollen mittlerweile aus Spam, also sinnloser Kommunikation, bestehen. Warum sollte das in Foren anders sein?
Selbst in den informativeren Tiefen des Forums, wie "wie kann ich ...", lesen sich mittlerweile die meisten Beiträge wie Spam: endlose Wiederholungen immer derselben Phrasen. Selbst wenn der oberste Beitrag "Ich kann keine Bilder hochladen!" heißt, findet sich immer noch einer, der einen weiteren Beitrag mit dem gleichen Titel beginnt. Und wenn einem so gar nichts mehr einfallen möchte, kann man ja immer noch einen alten, veralteten Thread aus den Untiefen des digitalen Vergessens hervorholen und einen ungeheuer geistreichen Kommentar darunter setzen.
Irgendwann mag man einfach keine Antworten mehr geben, etwas später mag man gar nicht mehr lesen. Liest sich alles wie das aktuelle Fernsehprogramm. Die Wiederholung der Wiederholung der Wiederholung. Und wenn man nicht hinguckt, hat man dennoch nichts verpasst!
In diesem Sinne gehe ich jetzt mal ein Buch lesen!
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Ich weiß, das ist eine Steilvorlage, aber haltet Euch zurück, bis Ihr die ganze Geschichte gelesen habt (und erklärt mir erst dann, dass ich recht habe).
Also, gestern so zwischen Tür und Angel, wollte ich auch mal wieder was tauschen. Durch Zufall, ach was sag ich, durch "Zuletzt getauscht" bin ich auf ein interessantes Regal gestoßen und habe da auch eine DVD entdeckt, die ich natürlich unbedingt haben wollte, sollte, hätte haben können müssen. Da klingelt das Telefon.
"Nein, ich bin kein Weinliebhaber, der irgendwelchen Essig von ekligen kalten Akquisiteuren am Telefon ordert, jedenfalls nicht für Sie und jetzt teilen Sie mir bitte Ihre ladungsfähig Anschrift mit, wegen der Abmahnung, die ich Ihnen wegen unerlaubter Telefonwerbung zukommen lassen möchte. Hallo? Duud, duud, duud."
Zurück zum Rechner. Die Maus schwebt schon über dem Zugreifen-Button. Es klingelt an der Tür. Draußen stehen dahergelaufene Halbwüchsige, die in erpresserischer Absicht durch Absingen von Sankt Martins-Liedern mich um meinen Schokoladenvorrat bringen wollen. Um dem kakophonischen Vortrag zu entgehen, werfe ich schnell eine Handvoll der geforderten Süßwaren nach draußen.
Bis zum Computer komme ich indes nicht. Das Baby schreit. Bespaßen, Grimassenschneiden, Kitzeln, Spielzeug hinhalten, Spielzeug wieder aufheben, Wickeln, Baden, Füttern, Massieren und vergleichbare Maßnahmen führen nicht zum gewünschten Erfolg. Ich muss zum äußersten Mittel greifen: durch die Wohnung tragen.
Endlich zurück ans Gerät. Oh, eine richtige Mail, also eine die kein Spam ist. Nach dem Durchlesen bin ich allerdings der Meinung, dass ich glücklicher gewesen wäre, wenn es sich um Spam gehandelt hätte. Warum gibt es in Spam-Filtern keine Option für das automatische Löschen von E-Mails von ungeliebten Verwandten, die mal wieder ein noch unbeliebteres Thema anschneiden.
Was wollte ich noch gleich? Richtig, aber da klingelt das Handy. Nein, Mutter, ich kann dir jetzt nicht eben mal das Internet vorlesen. Kauf dir endlich einen Computer. Nein, kauf dir keinen, sonst muss ich den auch noch in Ordnung halten.
Richtig, Computer! Vorher klingelt aber der Briefträger und überreicht mir die Überreste eines Luftpolsterumschlages, der offensichtlich bei einem Schützenfest als Zielscheibe gedient hat. Wie zu erwarten ähnelt der Inhalt eher einer geschredderten Loseblattsammlung als einem Buch. Ich werde meinen Aktenvernichter verkaufen und sensiblen Papierabfall zukünftig einfacher per Post verschicken. Erscheint mir sicherer.
Da hätte ich doch beinahe die Online-Überweisungen vergessen. Und noch eine Mail: Die Citibank hat mir geschrieben:
"Vorankommende Gesellschaft ladet sie als des Finanzgeschaftfurers ein!
Geben Sie bitte keine Antwort auf sterben betreffende Mitteilung. E-Mail, gesandt ein Sterben betreffende Adresse, braucht keine Antwort. Um Hilfe zu leisten, gehen Sie ins System Ihres Kontos bei CitiBank ein und wahlen Sie Bastelraum Hinweis Hilfe auf der beliebigen Seite aus."
Hilft mir jetzt bei den Überweisungen auch nicht weiter. Aber wenn ich nicht schon einen Job hätte, wäre ich jetzt wohl in Versuchung geraten. Vielleicht sollte ich mich aber auch in der Branche der maschinellen Übersetzung bewerben. Ich sehe da noch geringfügigen Spielraum für Verbesserungen.
Und wo ist mein TAN-Liste fürs Online-Banking, die war doch eben noch da? Und was kaut Baby da? Die Überreste TAN-Liste aus Babys Mund heraus pulen und hoffen, dass eine Nummer angefordert wird, die Baby noch nicht aufgefressen hat.
Aber ich wollte doch was völlig anderes! Richtig, tauschen. Warum hab ich mir den jetzt die Seite zugeklickt? Alles von vorne. Wie hieß das Ding noch mal, das ich da unbedingt anfordern wollte? Äh, warum ist es jetzt auf einmal so leise und dunkel?
Baby hat den Ausschalter an der kindersicheren Steckdosenleiste gefunden. Warum nicht auch der Schalter kindersicher ist, fragt man sich an dieser Stelle vergebens. Alles wieder einschalten und diesmal ganz von vorne. Nein, ich möchte jetzt keine Updates installieren.
Da mir der Titel der DVD gerade wieder eingefallen ist, schaue ich mal zuerst bei einem bekannten kriegerisch, weiblichen Online-Händler nach, ob denn das Teil auch was taugt und was es denn da so kostet. Was? Sind die wahnsinnig? Und warum ist das Ding gebraucht doppelt so teuer wie neu?
Mein Nerd-Kumpel ruft an. Er berichtet voller Stolz, dass er sich das neue iPhone gekauft hat, es liege so gut im der Hand und wie toll man damit telefonieren könne. Nicht ohne eine gewisse Häme weise ich darauf hin, dass es für den Angerufenen keinen bemerkenswerten Unterschied macht, ob sich jemand am anderen Ende der drahtlosen Leitung ein iPhone oder einen elektrifizierten Bierdeckel ans Ohr hält.
Außerdem kann ich seine gravierenden Probleme mit dem Gerät auch nicht so ganz nachvollziehen. Es sei so schon klein und flach, dass es ihm schon beinahe aus der Hemdtasche ins Klo gefallen wäre. Als KloPhone hätte es bei einer Auktion im Internet sicher noch einen guten Preis erzielt.
Endlich habe ich das Regal wieder gefunden und was sehe ich? Diese DVD, die da schon seit einem halben Jahr auf Kundschaft wartet und die ich unbedingt haben wollte, ist weg!
Aus meiner misanthropen, melancholischen Kontemplation, gemischt mit unbändiger, gegen die ganze Welt gerichteter Wut, reißt mich das Eintreffen einer weiteren Mail. Einer meiner Suchaufträge wurde soeben eingestellt. Das Buch direkt anfordern! Doch wo sind meine Tickets? Ich hatte doch eben noch welche.
Bevor ich mir die fehlenden Tickets leihen kann, strahlt mich das gewünschte Buch unter "Zuletzt getauscht" an. Aber wo sind meine Tickets hin? Und was macht diese DVD da unter meinen Tauschvorgängen? Die hab ich mir wohl selbst vor der Nase weggeschnappt!
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Ich wollte immer schon mal eine Kolumne schreiben, in der ich so aus vollem Halse befreiend herausschreien kann: "Boah, seid Ihr doof!" (Natürlich nicht alle, sondern nur Einzelne, ganz Bestimmte, ihr wisst schon wen ich meine, also die üblichen Verdächtigen, nur in teilnehmenden Restaurants, nur für kurze Zeit, näheres regelt das Gesetz, außer auf Tiernahrung, Anwesende natürlich ausgeschlossen).
Ich glaube, das ist jetzt nicht so ganz klar geworden, wen ich warum des geistig-kapazitiven Schwunds anklagen will. Ich muss da wohl weiter ausholen und das Problem anhand eines Beispiels erklären: Spam.
Spam kann man getrost als die Ölpest des Internets bezeichnen. Einige wenige gierige Idioten, die möglicherweise keine andere Arbeit fanden, haben es sich zum Ziel gesetzt, durch das massenhafte Versenden von unerwünschter Werbung ihre Haushaltskasse aufzubessern.
Das geht so: zuerst besorgt man sich ein so genanntes Botnetz. Das sind viele Rechner mit Internetzugang, die mangels Virenscanner oder Intelligenz der davor sitzenden Anwender sich Software eingefangen oder heruntergeladen haben, die nichts anderes tut, als anderen Leuten E-Mails in wahrhaft gigantischen Mengen zu schicken.
Solche Schadsoftware nennt man Trojaner, obwohl ebendieser der Bewohner von Troja war und nicht etwa ein untergeschobenes Schummelpferd. Sinnvollerweise müsste der PC-Nutzer als Trojaner betitelt werden, wenn er doof genug ist, sich sorglos Software zu installieren, von deren Inhalt er soviel weiß, wie seinerzeit der Trojaner von ebendiesem Pferd. Aber Leute, die glauben das Monster heiße Frankenstein und nicht etwa dessen Schöpfer, glauben vermutlich alles. Allzu viel Mühe muss sich der Betreiber eines Botnetzes daher nicht geben, den Leuten die dazu benötigte Schadsoftware unterzujubeln: das simple Versprechen, es gebe etwas umsonst, oder die Aussicht auf die Ansicht nackter, aber meist ebenso strunzdoofer B-Promis genügt völlig.
Um der Sache mal eine Dimension zu geben: pro Tag werden auf diese Weise von einigen 100.000 gekaperten PCs etwa 160 Milliarden E-Mails verschickt, welche die erfreuten Empfänger dezent hinweisen auf grundehrliche Online-Casinos, super preiswerte kostenlose Gratis-Abos (nur das Kleingedruckte ist was teuer), Penisvergrößerung auf mindestens das Doppelte und natürlich völlig echtes Original-Viagra (die Originalverpackung fehlt leider) in Mengen, die von der einmaligen Testdosis bis zur Anstaltspackung reichen.
Mit anderen Worten: jeder Nutzer des Internets auf diesem Planeten erhält pro Tag im Schnitt etwa 100 Spam-Mails. Glücklicherweise wird ein Großteil davon von den Internet-Providern automatisch gelöscht, aber ein paar kommen immer noch durch die Spam-Filter. Auf diese wenigen Mails klicken dann noch weniger Deppen, von denen dann ganz, ganz wenige Vollidioten irgendein Präparat bestellen, das mit Viagra meist nur eines gemeinsam hat: die Farbe. Ich brauche so ein Zeug nicht, daher weiß ich nicht, dass Viagra blau ist.
Dieses Geschäftsmodell ist durchaus profitabel, aber die Aktivitäten der Spam-Versender lassen es an Weitsicht mangeln. Einmal davon abgesehen, dass auf Befragen kaum jemand deren Tätigkeit überschwänglich begrüßen wird, stehen die Spammer und damit das ganze Internet vor einem Problem: da die Erfolgquote ausgesprochen gering ist und immer mehr Menschen Spam-Filter einsetzen, müssen immer mehr Spam-Mails verschickt werden, um erfolgreich zu bleiben. In der Folge, so prognostizieren Experten, wird das Internet in wenigen Jahren unter der Last des Spams zusammenbrechen und damit auch den Spammern ihr Verkaufsmedium entziehen. Dann endlich: kein Spam, äh - keine E-Mail, keine Tauschbörse ... (obwohl man gerade da schon mal den Eindruck haben kann, es wäre schon so weit).
So weit, so schlecht. Aber was hat das alles mit Büchertauschen zu tun? Nun, während alle auf Spam schimpfen, spammen viele von uns fleißig mit. Manche unterstützen die Spammer indem sie nichts dagegen unternehmen, dass entsprechende Software sich auf dem eigenen Rechner tummelt. Wem das passive Spammen noch nicht reicht, kann ja auch noch aktiv tätig werden und uns mit nutzlosen E-Mails versorgen.
Damit meine ich noch nicht mal die ganz Doofen, die bei jeder Mail grundsätzlich auf "An Alle antworten" klicken, um dem Rest der Welt, den schon der Ausgangstext nicht so recht interessieren wollte, an seiner persönlichen Beschränktheit teilnehmen zu lassen.
Nein, ich denke da vor allem an die Doofen, die ihre Artikel dreimal täglich in der Tauschbörse neu einstellen, weil sie damit bessere Absatzchancen wittern. Es ist zwar durchaus richtig, dass neue Artikel besser weggehen als solche, die schon länger im Katalog sind. Aber was beim ersten Mal nicht geht, weil es nicht gefragt oder schlicht zu teuer ist, geht auch beim 10. Versuch nicht besser.
Manche werden es auch schon als Spam empfinden, immer wieder die gleichen, aber ungeliebten Sachen über die Startseite wandern zu sehen. Noch schlimmer ergeht es aber denen, die einen entsprechenden Suchauftrag geschaltet haben: für jedes neue Einstellen wird eine E-Mail generiert, die auf das vermeintliche Schnäppchen hinweist. Und das ist tatsächlich Spam: manche Spam-Filter stufen mehrfach versendete Mails gleichen Inhalts automatisch als Spam ein.
Bei aller Kritik, wo bleibt denn da das Kontraproduktive? Wenn ich die Benachrichtigungs-Mail über das Einstellen des gesuchten Produkts erhalte, sind meist schon einige Stunden vergangen. Wurde der Artikel zwischenzeitlich gelöscht und neu eingestellt, führt der Link in der Mail zu: "Fehler - Dieses Angebot ist leider nicht mehr verfügbar". Ich muss also annehmen, dass der Artikel bereits getauscht wurde, ärgere mich und verfolge die Sache nicht weiter.
Bis zur nächsten Mail, wenn dieser überflüssige Kreislauf von vorne beginnt und ich Doofer auch endlich merke, was da abgeht. Wenn ich dann zum Gründungsmitglied der Schnellmerker-Gewerkschaft geworden bin und endlich den Deppen gefunden habe, der seine Artikel immer wieder quer durch die Tauschbörse spammt, dann mag ich auch nicht mehr tauschen. Ich tausche nicht mit Spammern! Das Ende vom Lied: diese Vorgehensweise bewirkt exakt das Gegenteil vom Gewünschten. Der Anbieter wird seine Ware nicht los, hat aber viel Arbeit damit und die möglichen Tauschwilligen sind genervt. Das ist wirklich doof!
Womit wir gleich bei den nächsten Deppen angekommen sind. Auch hier beginne ich besser mit einem Beispiel: Newsletter sind oft auch nichts anderes, als die legale Variante des Spam. Kommerzielle Newsletter verbreiten in vielen Fällen gar keine Information oder gar Nachrichten, sondern schlicht und ergreifend Werbung. So versucht halt ein jeder mehr Aufmerksamkeit auf seine Produkte lenken.
Auch Wohlmeinendes kann auf diese Weise zum Ärgernis werden. Wenn ich händeringend sagen wir mal Krieg und Frieden von Leo Tolstoi suche und dies öffentlich kundtue, dann finde sich garantiert ein Gieriger, der mir unbedingt eine E-Mail schreiben muss, dass er das Buch zwar nicht habe, dafür mir aber eines von Charles Bukowski anbieten könne, dass sei doch auch so einer aus Polen. Das sind die Leute, die im Urlaub an der Tür des Hotelzimmers klopfen, nur um einem zu sagen, dass das "Bitte nicht Stören"-Schild heruntergefallen sei.
Fazit: wenn man sagt, was man will, sollte man besser auch gleich dazu sagen, was man nicht will, nur um ganz sicher gehen. Denn die Doofen sterben nicht aus. Und bei Dummheit hilft auch Denken nicht. Und man wird selbst ganz schnell selbst zum Doofen, wenn man nur angestrengt versucht, kein Doofer zu sein. Boah, sind wir doof!
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Nichts ist vergänglicher als der Hype. Was uns heute noch als Sensation, Revolution oder als die Zukunft schlechthin verkauft wird, ist morgen meist nicht mehr als das spurlos verhallte Echo eines vertrockneten Furzes. Einmal gut durchlüften bitte!
Dennoch ist der Hype bei seinen jeweiligen Verursachern wie Opfern gleichermaßen beliebt. Entreißt er uns doch der Mittelmäßigkeit. Glauben wir zumindest. In Wahrheit hebt der Hype genau diese Mittelmäßigkeit nur auf ein anderes Niveau. Nicht unbedingt auf ein höheres.
Doch mittelmäßig wollen wir keinesfalls sein. Deshalb sind wir ständig auf der Suche nach Dingen, die sich auf irgendeine Weise aus der Masse herausheben. Und bemerken dabei nicht, dass es sich zumeist nur um ein Blase Fäkalgase handelt, die sich den Weg aus bereits Verdautem bahnen und aller Nährstoffe entzogen ebenso schnell wirkungslos verpuffen, wie sie entstanden sind.
Nichts wird öfter kopiert als der Hype. Hat man denn endlich etwas gefunden, das unverbraucht, ungewöhnlich oder sogar neu ist, machen es alle sofort nach, um ein Teil davon zu werden. Oder wenigstens einen Teil des Profites zu erhaschen, den ein Hype verspricht.
Plötzlich klingt alle Popmusik nach Lady Gaga. Verliebte Vampire überfluten die Bestsellerlisten. Die hochaktuellen Farben der Sommermode sind gleich, also farblos. Hollywoods Blockbuster lassen sich nur noch am Umfang der Spezialeffekte unterscheiden. Bollywood kopiert sich seit jeher selbst. Merkt aber keiner. Derweil im Fernsehen sich zu Unrecht Prominente quizfragend in Containern durch gecastete Gerichtsshows kochen. Auf jedem Sender. Merkt auch keiner.
Quotengeile Fernsehsender versuchen immer noch durch den angekündigten Hype der Erbärmlichkeit ihres Angebots zu entfliehen. Gelingt aber nicht. Deutschland sucht den Superstar, findet ihn aber nicht. Schon seit mehreren Staffeln. Weil es ihn nicht gibt. Superstar kann man durchaus werden. Durch anhaltenden Erfolg, nicht durch Casting.
Das probate Mittel den Hype voranzutreiben ist die Übertreibung. Da sind sich Anbieter wie Presse einig. Auch die lausigste Nullnummer lässt sich medial hochjubeln. Irgendwas wird schon hängenbleiben. Eine Zeit lang. Von den gehypten Stars bleibt jedoch nichts. Wer hat die erste Big Brother-Staffel gewonnen, das erste Dschungelcamp überlebt, die erste Casting-Show für sich entschieden? Weiß keiner mehr. Wozu auch.
Manche Dinge sind allerdings so gut, dass sie nicht zu kopieren sind. Beethoven, die Beatles, Harry Potter. Da entsteht der Hype von selbst, verselbständigt sich, wächst über sich hinaus und wird zum Markenzeichen, zur Ikone, zur Legende. Und offenbart den einzig verbliebenen Todfeind des Hypes: Qualität.
Häufig genug wird der Hype jedoch nicht von Fans generiert sondern durch Werbung angeschoben. Hochgradig modern ist das virale Marketing. Man stellt etwas ins Netz, bezahlt bekannte Protagonisten wie Schauspieler, Sportler oder neuerdings auch Blogger dafür, dass sie das Dargebotene öffentlich gutheißen damit die Masse darauf anspringt und ihrerseits den Schrott weiterempfiehlt. Dabei sein ist alles. Klingt wie Werbefernsehen, ist auch nichts anderes. Innovative Werbespots verbreiten sich von selbst, da muss man gar nichts für tun.
Wenn schon Werbung nicht klappt, wie soll man dann einen Hype erzeugen? Das letzte Mittel ist die gezielte Provokation. Einfach mal ganz kräftig anecken, Tabus brechen, die Einfalt der bürgerlichen Existenz kitzeln. Geht wohl auch nicht anders. Einfach nur gut sein, ist heutzutage zu wenig. Will man Aufmerksamkeit von einem Publikum, das längst der Reizüberflutung der Medien erlegen ist, muss man schon etwas dicker auftragen.
Shakespeare kann man nicht mehr aufführen, wenn nicht wenigstens alle Darsteller nackt sind und am Bühnenrand eine Urinrinne installiert ist. Selbst Schneewittchen ließe sich nur noch auf die Bühne bringen, wenn die Sieben Zwerge zumindest Nazi-Uniformen tragen und ins Publikum onanieren. Die Aufführung ist sterbenslangweilig aber was für ein Skandal! Jeder Verstoß gegen Konventionen wird zur Kunst erklärt, vor allem wenn man sonst nichts aufzuweisen hat.
Reichen die inszenierten Tabubrüche jedoch immer noch nicht aus, um etwas Sinnloses interessant zu machen, wird zur ultimativen Hype-Waffe gegriffen: Sex sells! Verkaufter Sex ist allerdings so prickelnd wie das Geld, das man dafür bezahlt. Dennoch macht man sich hier zu Nutze, dass Menschen immer weniger Sex haben, während sie in den Medien mit immer mehr Sex konfrontiert werden. Dabei wäre Sex zu haben doch das Naheliegendste. Wörtlich.
Das wäre allerdings zu einfach. Sex könnte ja woanders besser sein! Deshalb gelingt es immer wieder, uns zu Opfern unserer eigenen Erwartungshaltung zu machen. Gerne geben wir uns frei, offen und tolerant. Sind es aber nicht. In unseren Köpfen spuken die gutbürgerlichen Moralvorstellungen der Spießer, die wir keinesfalls sein wollen. Pornographie ist aber kein internationaler Standard, sondern die Konsenserklärung einer Gesellschaft, die nicht so genau weiß, wofür sie sich schämt.
Deshalb sind wir immer wieder schockiert, bestenfalls fasziniert, wenn wir mit expliziter Darstellung von Sex in der Literatur konfrontiert werden. Mit freudig erregtem Abscheu lesen wir zu gerne von Protagonisten, die ein Leben führen, das wir uns selbst nicht zutrauen. Wovon wir aber aus der sicheren Distanz der Normalität träumen. Träumen können, weil es konsequenzlos bleibt.
Wenn Minderjährige dann noch einen Roman abschreiben, der wortgewaltig ein lasterhaftes Leben schildert, das sie selbst kaum erlebt haben können, stürzen sich die Massenmedien darauf wie Fliegen auf Scheiße. Das ist der Stoff aus dem der Hype gemacht wird. Hyperventilierende Feuilletons erklären die Darstellung menschlicher Verrichtung zur hohen Kunst, zur großen Literatur die neue Maßstäbe setzt. Seht her, wir waren von Anfang an dabei, wir haben es schon immer gewusst! Die Medien als Trittbrettfahrer in einer Zeit die keine Trittbretter mehr kennt.
Aber auch Feuchtgebiete sind inzwischen trockengelegt, so wie jeder Hype früher oder später rückstandslos verdunstet. Wir kehren enttäuscht zur Tagesordnung zurück. Wir hassen die Normalität, also auch uns selbst. Aber das sind wir. Was wir da gelesen haben, ist nicht das Leben. Zumindest für die Meisten von uns nicht. Der alltägliche Hype kanalisiert unsere Wunschträume ins Niemandsland. Das haben unsere Träume nicht verdient. Kein Hype verbessert unsere Existenz. Das müssen wir schon selbst machen.
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Kaum hat man die christlich-kapitalistische Kommerzoffensive zu Weihnachten hinter sich gelassen, droht neues Ungemach: Was schenken Sie denn zu Ostern? Diese ständig präsente Frage aus der unvermeidlichen Produktwerbung schleicht sich in unser Unterbewusstsein und appelliert an unseren sinnlosen Großmut.
Die Meisten merken gerade noch rechtzeitig, dass sie hier nur in eine weitere Konsumfalle geraten sind und verlagern den Einkauf vom Fachhandel in die Supermärkte. In der trügerischen Hoffnung dort billiger wegzukommen, werden österlich motivierte Süßwaren geordert. Ein Trugschluss. Nie war Schokolade teurer.
Vor den Kassen und auf den Sonderverkaufsflächen lauern die Displays verschiedener Hersteller und buhlen um Kundschaft. Displays nennt man die wegelagernden Pappregale für Saisonware. In diesem Fall Zusammenrottungen von Schokoladenhasen und aller Arten von Eiern.
Allen voran der gemeine Goldrammler mit dem Glöckchen am Halsband. Dergleichen findet man sonst nur bei Hauskatzen und Kühen auf der Alm vor. Da der unbedarfte Kunde aber nun schon seit Jahrzehnten mit dem goldig beglockten Karnickel konfrontiert wird, nimmt er dies inzwischen als naturgegeben und Alleinstellungsmerkmal hin.
Obwohl es sich um die beste Schokolade schlechthin handeln soll, gibt es vermutlich keinen einzigen deutschsprachigen Supermarkt, wo er nicht sein Unwesen treibt und auf leichtgläubige Kundschaft lauert. Von Exklusivität also keine Spur, wenn man vom Preis absieht. So ein kleiner goldiger Hase samt Glocke kostet gerade mal doppelt soviel wie fair-gehandelte Bioschokolade, die ganz nebenbei bemerkt auch noch besser schmeckt.
Kauft man gleich zwei von diesen winzigen Nagern in einer Pappverpackung wird es mitnichten preiswerter. Die Verpackung wird anscheinend in Gold aufgewogen. Nur für den Pappendeckel darf man noch mal Einsfünfzig drauf legen und zahlt dann einen Kilopreis von fast 50 Euro. Selbst Filets von wegen Überfischung aussterbender Fischarten sind preiswerter.
Auch bei der lila Konkurrenz lohnt sich der Blick auf den Preis. Kauft man eine Großpackung bestehende aus Hasen verschiedener Größen und einigen Schokoladeneiern, muss man deutlich mehr hinlegen, als hätte man Hasen und Eier einzeln erworben. Das ist so eine Art gefühlter Mengenrabatt.
Es geht aber noch schlimmer. Vier Wochen vor Ostern suchte ich einen lokalen Zuckerfachhändler auf, um Marzipanobst zwecks Verzierung einer Geburtstagstorte zu erwerben. Gleich im Eingangsbereich waren schon zahlreiche österliche Diäthilfen zur gefälligen Anteilnahme aufgebahrt. Da kamen mir die wohlfeilen Marzipanrübli gerade recht, zumindest bis ich den Preis sah: 4 Euro 50 für gerade mal 45 Gramm. 100 Euro fürs Kilo, das nenne ich saisonal motivierten Geschäftssinn. Das Marzipanobst, das ich ursprünglich im Sinn hatte, fand ich weiter hinten im Laden, für ein Drittel dieses Preises. Hatte wahrscheinlich gerade keine Saison.
Ich kaufe saisonbedingte Süßwaren nur noch im Bioladen. Ist nicht nur umweltfreundlich, sondern auch preiswerter. Und vor Ostern kauf ich nur noch normale Schokolade, Hasen nach Ostern zum halben Preis.
Damit ist das Problem aber noch nicht gelöst. Preiserhöhungen durch gefühlte oder eingeredete Verknappung stehen der Überflussgesellschaft schlecht zu Gesicht. Abzocke ist immer noch kein brauchbares Verfahren, das Vertrauen eines Kunden zu gewinnen. Es gibt noch andere Beispiele, außer dem Benzinpreis. Zum Beispiel Brotdosen. Eine einfache Dose zur Aufbewahrung und Transport eines Butterbrotes kostet gerne schon mal 4 bis 5 Euro. Ist auch noch ein wieder erkennbarer Werbeträger aus einem aktuell grassierenden Kinofilm aufgedruckt, kann man noch einen Euro mehr hinlegen. Der Handel weiß, was Kinder lieben. Könnte man Toilettenpapier dreidimensional bedrucken, wäre Avatar schon überall drauf.
Unlängst vagabundierte ich durch den Drogeriemarkt meines Vertrauens und entdeckte Brotdosen für 1,45 Euro. Alles klar, dachte ich, Chinas Plaste und Elaste lassen grüßen, Schadstoffe inklusive. Einmal kurz der Dose auf den Boden geschaut: Überraschung! Von wegen Made in China - Swiss Made! Jetzt ist die Alpenrepublik jetzt nicht gerade als Billiglohnland oder als ultimativer Hort des Preisdumpings bekannt. Wie machen die das?
Rechnet man jetzt die Gewinnspannen, Lager- und Transportkosten ab, kommt man auf einen Herstellungspreis von maximal 70 Cent. Soviel kostet es eine Bank auch, wenn man Geld bei einem Automaten eines anderen Instituts abhebt. Berechnet werden dem Kunden aber bis zu 10 Euro. Da ist die überteuerte Brotdose doch geradewegs geschenkt! Die Banken haben aber inzwischen Besserung gelobt und wollen nur noch 5 Euro pro fremdgehender Geldauszahlung berechnen. Da sollten sich die Brotdosenhersteller mal ein Beispiel daran nehmen!
Ein Regal weiter im Drogeriemarkt meines Vertrauens findet sich jedoch ein Produkt, das einer Brotdose verblüffend ähnlich sieht. Eine Kunststoffbox mit Deckel aus exakt dem gleichen Material wie die Brotdosen. Und der Preis: samt Inhalt kostet diese Dose auch nur 1,45 Euro! Allerdings eignen sich diese preiswerten Dosen nur bedingt zum Aufbewahren von Lebensmitteln. Durch den Schlitz im Deckel dieser Box für feuchtes Toilettenpapier passt nun mal kein Butterbrot!
Dem hilflosen Konsumenten kommt jedoch nun das Internet hilfreich entgegen. Immer mehr Produkte sparen sich den teuren Umweg über Groß-, Zwischen- und Einzelhändler und werden dem Kunden direkt angeboten. Entsprechend preiswert und ohne Service. Wenn ich an die letzten Beratungen in Fachgeschäften zurückdenke, finde ich, dass man sich den Verlust des Service schon was kosten lassen muss.
Für den Verbraucher ist das sicherlich eine gute Sache. Ein Leben ohne Handygeschäfte, Boutiquen, Autohändler, Versicherungsvertreter oder unglaublich preiswerte Baumärkte kann ich mir durchaus vorstellen. In einem Fall wird mir der Einzelhandel aber fehlen: einen guten Buchhändler kann das Internet einfach nicht ersetzen!
Womit die Eingangsfrage auch beantwortet wäre. Ein Buch kann man immer verschenken, auch zu Ostern!
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